Donnerstag, 18. Juli 2019

Raw Force (AKA Jäger des tödlichen Jade)

Wenn ich nun, einige Zeit nachdem ich mir Raw Force angesehen habe, meine Gedanken um diesen kreisen lasse, kommt regelmäßig die Frage in mir auf, wie der Film einige Jahre früher auf mich gewirkt hätte. Obwohl ich mich in meiner Twitter-Biographie als Trashologe bezeichne und - hier im Blog seit mehr als zehn Jahren bestens dokumentiert - durch den unwiderstehlichen Morast des B-Films pflüge, hat sich ein früherer Fokus auf Film Oddities in den Hintergrund des persönlichen Geschmacks und der Prioritäten verzogen. Selbst objektiv eher mäßiger Quatsch wie The Nostril Picker wurde damals - vor mehr als zehn bis fünfzehn Jahren - Aufgrund seiner abstrusen Geschichte wohlgesonnen aufgenommen; Ultra-Trash wie der fundamental christlich geprägte Anti-Drogen-Horrorfilm Blood Freak wurde freudig wiehernd bejubelt. Es scheint, als hätte die mit dem erwachsen werden gestiegene Ernsthaftigkeit die Lust auf freakige Filmkunst abseits bekannter Normen in den Hintergrund gedrängt.

Dann kommt eine amerikanisch-philippinische Co-Produktion um die Ecke, die man mir vor einigen Monaten wegen ihrem kruden Auftreten, der abstrusen Geschichte und deren Obskuritäten-Potenzial empfohlen hat. Das Filippino-Kino mit seinen Exploitation-gestählten Filmemachern wie Cirio H. Santiago oder Eddie Romero war mir bereits u. a. durch unglaubliche Werke wie Mad Doctor of Blood Island ein Begriff. Raw Force bietet dabei eine wilde Mixtur aus Hits des damaligen Mainstream- sowie Formeln des Exploitation-Kinos und schert sich einen Teufel darum, nach hochwertigem Kino auszusehen. Die Macher stopfen und drehen wie einst das italienische Exploitation- bzw. Genre-Kino alle erdenklichen Einflüsse in und durch den Fleischwolf. Dem Zuschauer wird als Ergebnis eine Geschichte um zwei amerikanische Buddies und Kampfsportler kredenzt, welche sich während ihres Trips einer Gruppe Pauschaltouristen auf einem alten Dampfer anschließen, welcher Kurs auf das berüchtigte Warrior Island genommen hat.

Auf jenem Eiland hausen kannibalistische Mönche, welche die Kraft besitzen sollen, Tote zum Leben erwecken zu können. Ihre Nahrung in Gestalt halbnackter Frauen erhalten die unheiligen Geistlichen von Mädchenhändlern, die im Gegenzug das immense Vorkommen an Jade auf der Insel zur Monetarisierung nutzen können. Während eines Landgangs verplappert sich einer der männlichen Touristen während eines Puffbesuchs, in dem gleichzeitig der Mädchenhändlerring wortwörtliches Frischfleisch sucht, dass ihr Schiff auf dem Weg zur Insel ist. Da die Gangster bei allem emsigen Treiben noch genügend Zeit zu haben scheinen, nehmen sie die Jagd auf die Touristentruppe auf und verschleppen eine der Frauen, was natürlich den Rest der Passagiere und die Kampfsport erprobten Kumpels auf den Plan ruft. Grotesker Höhepunkt stellt das Finale dar, wenn tote Kampfkünstler sich aus ihren Gräbern erheben und mit ihrem Zombie-Kung Fu gegen die Touries kämpfen.

Bei Raw Force ist der Name Programm. Die grobe Gewalt regiert ab Minute 0 und reiht Keilereien, seichtes Blutgekröse, stumpfe Witzeleien, Horror der weniger schreckenerregend sondern mehr wie Horrorkomödien, die Mitte der 80er in Hong Kong entstanden sind anmutet und viel nackte Haut aneinander. Der dünne rote Faden der Story zerfasert leicht und wenn es sich anbietet, nehmen die Macher Stillstand wohlwollend dann in Kauf, wenn Nuditäten im Vordergrund stehen. Die Party an Bord des ollen Dampfers, dessen Kapitän ein wild gestikulierender und viel Spaß bringender Cameron Mitchell ist, nimmt (zu) viel Zeit ein und lässt ihn dank der schnodderigen Synchro und dem Dauerfeuer an herrlich blödsinnigen Dialogen wie eine Sex-Klamotte wirken. Diese Sequenz bremst bei aller Spaßigkeit das hohe Tempo des Films dezent aus; das stetig vom Drehbuch durchgedrückte Gaspedal lässt Raw Force auch so ins Stottern kommen.

Sein einnehmend naiver Charme kann nicht verbergen, dass die repetitive Abfolge an Grundzutaten der Exploitationkunst in der zweiten Hälfte einer spürbaren inhaltlichen Leere Platz machen. Die rohe Kraft verpufft; in jugendlichen Jahren wäre ich weitaus gleichgültiger damit umgegangen. Unterhaltsam ist der in den US bei Vinegar Syndrome erschienene Film dennoch. Mit den richtigen Leuten ist dieser Film gewordene Altherrenabend eine mit Unglaublichkeiten gespickte, anachronistische Exploitation-Granate. Wer sich schon nach zehn Minuten Deathstalker (hier besprochen) wegen dessen sexistischen Tons duschen möchte, sollte Raw Force lieber auslassen. In den frühen 80ern war Actionkino weit weg von den heutigen gendersensiblen Umgangsformen der heutigen Gesellschaft eine rollentechnisch einfache Schwarz-Weiß-Geschichte, in dem der Mann eindeutig die engen Hosen an hatte. Eine zumindest mich belustigende Eigenart, die Raw Force für mich persönlich noch spaßiger werden lässt.


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