Inmitten einer sich im Chaos auflösenden Welt erweist sich der Alltag der drei Protagonisten Paul, Sarah und Trevor als gut durchstrukturiert. Die kleine Blase der Drei scheint intakt, soweit der vorherrschende Ausnahmezustand es zulässt. Ein nicht näher benannter Virus grasiert auf dem Globus und rafft die Menschheit gnadenlos dahin. Bei allen hochkriechenden Emotionen beim Verlust von Sarahs Vater verfolgt und betreut Familienvater Paul hochkonzentriert und abgeklärt dessen letzten Minuten. Nach der mit Nachhilfe erfolgten Erlösung erscheint die Beerdigung einer Entsorgung gleich; Der Leichnam wird einige Meter vom Haus der kleinen Familie verbrannt. Inmitten des sonnendurchfluteten Tags und seines friedlichen Eindrucks ist der Tod in jedem Winkel präsent und sitzt dem Trio auf der Lauer. Jeder kleinste Fehler könnte die letzten Stunden des Lebens einläuten, in dem man am Körper versehen mit pestschwarzen Flecken apathisch, umnachtet von der Schwärze des schleichenden Exitus, seinem Ende entgegen dämmert.
Wer erwartet, dass mit der eintretenden Nacht der Schrecken in Gestalt austauschbarer Untoten, schleimiger, Tentakel-bewehrter Monstrositäten oder blutrünstiger, extraterrestrischer Invasoren, auftaucht, der hat falsch kalkuliert. Der Eindringling entpuppt sich als Mensch: Will, der seine kleine Familie viele Meilen zurückgelassen hat, um sich auf die Suche nach Wasser und anderem Proviant zu begeben. Anfängliches Misstrauen und Argwohn hinter sich lassend, geleitet Paul den Fremden zu dessen Behausung um dessen Frau Kim und ihren kleinen Jungen Andrew zu holen um sie bei sich aufzunehmen. Die durchbrochene Blase schließt sich langsam, nimmt die Neulinge auf, Harmonie wächst wie ein zerbrechlich wirkender Ableger einer Pflanze. Auf ihr selbst bleibt ein feiner Riss bestehen; nie versiegende Vorsicht legt sich wie dünne Schicht auf die Stimmung zwischen den Figuren. Größer wird der Riss, als bei den Gastgebern der Verdacht aufkommt, dass einer ihrer Gäste sich mit dem Virus infiziert haben könnte.
Uninteressiert an den üblichen postapokalyptischen Szenarien des Genrefilms mit seinen Killervirus- oder Zombie-Fantasien, nutzt Regisseur Trey Edward Shults zum Aufbau seines Werks grundlegende Formeln des Zombiefilms um dann lieber tief in die kleine, bisher halbwegs intakte Welt seiner Figuren zu blicken. Die beschriebene Extremsituation dient ihm dazu, zu zeigen, wie Menschen innerhalb solcher ihre Kalkül und Beherrschung abgeben. Vielleicht ist It Comes At Night der leiseste Survival-Film aller Zeiten; der sich steigernde Verlust der Contenance um das eigene Überleben um jeden Preis zu gewährleisten gebiert viele unangenehme Szenen, explodiert im Finale in Schockmomente, in denen die kleine Familie und der Zuschauer gewaltig aus ihrer Komfortzone gerissen werden. Nur welchen Preis zahlt man, um in solchen Umständen weiterhin zu bestehen? Shults Film blickt in die das Bild zerfressende Schwärze einer Ungewissheit, die stilistisch die Protagonisten umgibt. Die titelgebende Nacht präsentiert sich als schwerer Schleier, der um die fahlen Lichtquellen der in der dunklen Hütte sich bewegenden Charaktere wie ein Raubtier lauert, zuzuschlagen.
Die Antwort darauf, was in der oder den Nächten kommt, ob es wirklich Monstrositäten in dieser erdachten Welt gibt, bleibt uns Shults schuldig. Viel möchte er nicht erklären. Mit der Ungewissheit, mit der der Film spielt, die seine Figuren umgibt, in der Atmosphäre ständig spürbar ist und in den intimeren Momenten mit Jungspund Travis zu interessanten Augenblicken führt, muss auch der Zuschauer leben. An einigen Stellen lässt It Comes At Night einige Fragen zu viel offen. Vielleicht ein absichtlicher Zug für die Narration des Films, um uns das ansatzweise spüren zu lassen, was seine Charaktere spüren. Zugang erhält man leider nur zu Travis; Paul rückt erst zum Schluss in den Fokus, während Sarah grob umrissen wird und ihre Gäste lediglich der Auslöser für das größere Ganze des Films sind. Durchaus clever behandelt er in seiner ruhig erzählten, sich zuspitzenden Thrillerhandlung die Auswirkung von Isolation, selbst innerhalb des Verbunds der Familie. Travis' Abgrenzung gegenüber seiner Eltern, räumlich durch sein weit im hinteren Teil des Hauses liegenden Zimmers dargestellt, kann als Loslösung des heranwachsenden von diesen als auch als bewusstes ziehen einer Grenze zu diesen interpretiert werden.
Die Welt dieser scheint er nicht an sich heranlassen zu wollen und flüchtet sich aus dem beschwerlichen Alltag heraus ohne es zu schaffen, gänzlich aus diesem auszubrechen. Die existierende Blase des Trios benötigt ihn als funktionierendes Zahnrad im kleinen Getriebe, um die weitere Existenz zu sichern. Die Angst vorm Verlust dieser, Sorgen, egal wie groß oder winzig, Nöte, Gedanken die um existenzielle Fragen kreisen; begleitet vom Zwang des Funktionierens in der großen wie hier kleinen Welt dürfte jedem Zuschauer bekannt sein. In seinen weitgehend guten Momenten schafft es It Comes At Night klar zu machen, was da nun kommt, wenn die Lichter gelöscht sind: eben diese Konstrukte unseres Geistes können zu weitaus beängstigerenden Monstren heranwachsen als praktisch oder mittels CGI kreierte Kreaturen. Endgegner Existenzangst, der ewig präsente Tod, der auch die Familie erschüttert und deren Blase zum Platzen bringt, ist nicht aus unserem Leben auszuschließen. Das ängstigt seit Jahrhunderten und lässt Kreative seit eben dieser Zeiten mittels ihrer Imagination versuchen, dies zu umgehen. Das diese Grundängste im genutzten, beschränkten Raum allgegenwärtig und für den Zuschauer fühlbar sind, macht It Comes At Night zu einem lediglich teils in der Logik und den offenen Fragen bezüglich des World Buildings schwächelnden, sonst sehr sehenswerten Thriller-Drama in einer dystopischen Welt.
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