The Wild Binge ist eine neue, unregelmäßige Rubrik bei Allesglotzer. Wie es der Name vermuten lässt, werden in dieser Serien beleuchtet und in kurzen oder längeren Texten besprochen.
Es ist das Jahr 1974 als ein dunkelhaariger, komplett schwarz gekleideter und schwer bewaffneter Herr in der Comicwelt auftauchte. Sein Markenzeichen: ein groß auf seiner Brust prangender Totenschädel. Sein Name: Frank Castle, genannt The Punisher. Die ursprünglich als Bösewicht konzipierte Figur erfreute sich nach einem ersten und später wiederkehrenden, aber unregelmäßigen Auftritten in den Spiderman-Comicheften großer Beliebtheit. 1986 bekam er seine erste, eigene (Mini-)Serie von Marvel geschenkt, welche rasend schnell ausverkauft war. Der Punisher ging komplett in Serie bis er 1995 wegen schlechter Verkaufszahlen eingestellt wurde. Im Jahre 2001 verschaffte Garth Ennis dem einzelgängerischen Vigilanten wieder Aufwind. Unter dem Label der Marvel Knights entstand zuerst eine weitere Mini-Serie, bis The Punisher wieder regelmäßig als eigenständige Heftreihe erschien.Bis zur heutigen Zeit schaffte es Frank Castle insgesamt auch drei Mal auf die große Leinwand. Die Filme könnten unterschiedlicher nicht sein: den Anfang machte Mark Goldblatt 1989, der den zum Actionhelden avancierten Dolph Lundgren gegen die Yakuza antreten und Frank Castles erstes Film-Abenteuer zu einem leicht trashigen, aber doch ordentlichen B-Action-Film werden ließ. Schade für die Fans der Vorlage ist hier sicherlich, dass man sich sehr frei am Comic orientierte und Lundgren nicht mal das typische Outfit trägt. Einzig ein Wurfmesser trägt einen Totenkopf. Dazu bedient man sich der allerersten Hintergrund-Story, in der Castle ein ehemaliger Polizist ist, der nach der Ermordung seiner Familie in den Untergrund flüchtet und von dort aus Rache übt. Über die Jahre setzte sich eine alternative Geschichte durch, in der Castle ein verdienter US-Marine ist, dessen Kinder bei einem Picknick im Park einen Mafia-Mord beobachten und deswegen Franks gesamte Familie von den Mafiosi ausgelöscht wird.
Mit den Comics verglichen hinterlässt der erste Punisher einen säuerlichen Beigeschmack und für penible Leser der Vorlage artet der ganze Film in großen Bullshit aus. Erfolgreich war er trotzdem, auch wenn er durch die finanziellen Probleme der Produktionsfirma leider keinen Kinostart in den USA bekam. 2004 war es Zeit für den zweiten Streich. In der Hauptrolle sehen wir diesmal Thomas Jane als Frank Castle, der diesmal zu einem verdeckten FBI-Ermittler wird, bei dessen letzten Einsatz etwas schief geht und der Sohn eines mächtigen Untergrundbosses ermordert wird. Aus Rache lässt dieser Franks Familie töten und es entbrennt ein gnadenloser Kampf zwischen dem Gangsterboss und dem FBI-Agenten, der Unterschlupf in einem heruntergekommenen Mietshaus sucht und seine dortige Wohnung zum Hauptquartier seiner Operationen umfunktioniert. Die Orientierung am Comic erscheint noch gröber, auch wenn hier versucht wird, Frank Castle mehr Tiefe zu verleihen und ihn als durch die Ereignisse traumatisierten und zerrissenen Charakter darzustellen. Leider bleibt hier Thomas Jane, wenn auch sichtlich bemüht, blass in seiner Darstellung und wird von Partner John Travolta als Gangsterobermufti Howard Saint klar an die Wand gespielt. Man kann die Bemühungen der Macher, den Protagonisten nicht zur bloßen, zynischen Exekutive wie man Lundgren im ersten Film sehen kann, zu machen. Leider ist die 2004er-Version gesamt ein sehr mäßiger Actionfilm, der selbst in den Actionszenen sehr uninspiriert wirkt.
Das es noch schlimmer gehen kann, zeigt die Fortsetzung von 2008. Weil ihnen das Script zu schlecht war, sprangen Thomas Jane und Regisseur Jonathan Hensleigh ab. Frank Castle wird von Ray Stevenson gemimt, der es wie der von ihm dargestellte Punisher durch seine Rolle des Volstagg in der Thor-Reihe mittlerweile ebenfalls ins Marvel Cinematic Universe schaffte. Die Regie übernahm die Mannheimerin Lexi Alexander. in Punisher: War Zone ist Castle schon seit sechs Jahren als in ganz New York berühmt-berüchtigter Bestrafer unterwegs. Als er feststellt, dass er bei einem Schußwechsel mit den Mafiaschergen um Billy Russoti einen Undercover-FBI-Agenten erschossen hat, will er seinen Kampf gegen das Verbrechen einstellen. Die Rechnung hat er dabei nicht mit dem nach seinem Kampf mit Castle furchtbar enstellten Russoti gemacht, der sich mittlerweile Jigsaw nennt, seinen Bruder aus einer psychiatrischen Klinik befreit und Jagd auf den Punisher macht. Was in War Zone abgebrannt wird, spottet jeder Beschreibung. Selbst seine durchaus ansehnliche, teils geradezu hübsche Optik kann nicht davon ablenken, dass das hier entfachte Gewaltfeuerwerk eine selbstzweckhafte und fürchterlich comichaft inszenierte Show schrecklichster Film-Oberflächlichkeit ist. Zur Krönung wird der titelgebende Protagonist zur Nebenfigur degradiert: Jigsaw und sein Bruder Loony Bin Jim beanspruchen den größten Teil der Handlung, Ray Stevenson zieht ein angestrengt wütendes und trauriges Gesicht; irgendwann fragt man sich, ob es wegen seiner Rolle oder des gesamten Films ist. Das einzige Talent, was Regisseurin Lexi Alexander offenbart, ist es, eine Comic-Verfilmung zu übertrieben und comichaft darzustellen (!), was eine verkrampfte Coolness-Attitüde zur Folge hat.
Mittlerweile gibt es seit einigen Jahren das Marvel Cinematic Universe, welches sich derzeit in seiner dritten Phase befindet. Seit 2013 erweiterte man es mit Agents of S.H.I.E.L.D. und Agent Carter das MCU und brachte es mit diesen beiden Serien ins Fernsehen. Man kann vom MCU halten was man will und die Superhelden-Filme als große, bonbonfarbene und laute Blockbuster-Unterhaltung abstempeln, die auf ein Publikum zwischen 08/15-Kinogänger, Jugendliche und Comicnerds zugeschnitten sind. Ich bezeichne aus meinen nerdigen Interessen heraus Superhelden-Verfilmungen als Guilty Pleasure und fühle mich durch die meisten im MCU angesiedelten Filme recht gut unterhalten. Sicher sind diese Werke äußerst bunt und die Origin-Stories, welche die Wandlung eines mit übernatürlichen Kräften gesegneten Menschen zum uns bekannten Helden zeigen, nach einem gleichen Muster aufgebaut. Trotzdem bieten diese Art von Film nicht einfach nur die filmische Version bunter Comicbilder sondern eine urbane Fantasy, die in einer für viele nachvollziehbare bzw. greifbare Gegenwartswelt angesiedelt ist. Mit den vier Netflix-Serien Daredevil, Jessica Jones, Luke Cage und Iron Fist, welche in die Miniserie The Defenders münden, zeigt sich das MCU von einer anderen Seite. Die hier dargebotenen Geschichten sind düsterer, richten sich an ein erwachsenes Publikum, bieten graphischere Gewalt und verleiht seinen Figuren mehr Persönlichkeit. Die Ereignisse der Kinofilme werden nur angedeutet und beinahe erscheinen uns die Serien wie ein eigener kleiner Kosmos innerhalb des Universums. In der zweiten Staffel von Daredevil wurde der Punisher eingeführt, diesmal vom aus The Walking Dead bekannten Jon Bernthal dargestellt.
Man kann Frank Castles Auftritt in der Serie um den blinden Daredevil als Origin verstehen, sieht man nicht nur den Kampf Castles als dauerwütenden Einzelgänger gegen die verschiedenen Mafiagruppen im Stadtteil Hell's Kitchen, dessen Weg sich ständig mit Matthew Murdock kreuzt, sondern auch wie dieser verbitterte, von seiner Wut schier aufgefressen scheinende Mensch zum bekanten Vigilanten wird. In einer der stärksten Szene der Staffel, wenn Castle und Murdock sich auf einem Dach bekriegen und die Pros und Contras über das Ermorden von Verbrechern diskutieren, zitiert die Szene direkt aus Garth Ennis Punisher-Serie von 2001. Der für den Punisher typische Totenkopf wird als übergroße Projektion eines Röntgenbild von Castles Kopf in einem Gerichtssaal eingeführt. Diese Beiläufigkeit, wie hier das bekannte "Markenlogo" des Charakters gezeigt wird und wie drohend dieser Schädel über die sich im Saal befindlichen Menschen thront, ist eine vor unterschwelliger Kraft strotzende Szene. Durch den großen Zuspruch der Fans beschloss man spontan, auch dem Punisher eine eigene Serie zu widmen. Dies war nicht nur aus kommerzieller Sicht eine gute Entscheidung. Ist Lundgren zwar eine Action-Ikone der 80er, aber weitaus nicht so markant wie Kollegen aus seiner Zeit, somit austauschbar und Jane und Stevenson bemüht aber niemals überzeugend, so ist Jon Bernthal - das zeigte sich schon in Daredevil - die perfekte Wahl um diesen Charakter darzustellen.
Sein Frank Castle ist nicht nur ein von Hass und Wut zerfressener Racheengel mit scharfer und mannigfaltiger Bewaffnung. Bernthals markantes Gesicht, das dem Punisher filmisch endlich ein Profil verleiht, ist auf den ersten Blick ein Buch mit sieben Siegeln, welches wie der Protagonist beabsichtigt, nicht weit nach innen schauen lassen möchte. Im Verlauf der Geschichte lernen wir Frank als in tiefer Trauer liegenden Menschen kennen, zerstört vom großen Verlust und dem daraus resultierenden Trauma. Seine einzige Möglichkeit, dieses zu bewältigen und die ihn überrollenden Gefühle in den Griff zu bekommen, ist die mitschwingende Wut gegen den Abschaum der Welt zu richten. Hier wird der Marine von seiner Vergangenheit und seiner damaligen Stationierung in Afghanistan eingeholt. Ein Video zeigt einige maskierte Soldaten, wie sie einen afghanischen Polizisten, der als angeblicher Terrorist entpuppt wurde, foltern und töten. Die Aufnahmen bringen einiges an Brisanz und politischem Zündstoff mit sich und lässt mit seinem Auftauchen eine riesige Lawine los. Dinah Madani, die Partnerin des getötenen Polizistin und Agent bei Homeland Security, kehrt in die USA zurück um die Drahtzieher des Mords an ihrem Partner ausfindig zu machen. Hinter der Veröffentlichung des Videos steckt der ehemalige NSA-Analyst David "Micro" Lieberman, der versucht, Frank auf seine Seite zu ziehen und zu überzeugen, dass sie für die gleiche Sache kämpfen. Castle zeigt erst kein Interesse. Nachdem ihm Lieberman zeigte, dass das Video aus Afghanistan im Zusammenhang mit dem Tod seiner Familie steht und dies keineswegs nur ein zufälliges Unglück war, schlägt sich der Punisher - weiterhin leicht widerwillig - auf die Seite Micros.
Letztendlich raufen sich die beiden unterschiedlichen Männer zusammen und decken einen riesigen Skandal auf, der bis in die Führungsebene von Homeland Security und der CIA reicht. Leider stellt Frank auch fest, dass man niemals ganz seinen Freunden trauen sollte. Showrunner Steve Lightfoot, ehemals Drehbuch-Autor der Serie Hannibal, schuf mit seinem Team eine fesselnde Serie, die man innerhalb des MCUs nicht erwartet hätte. War dank der Präsenz von Frank Castle auch die zweite Daredevil-Staffel gewalttechnisch nicht von schlechten Eltern, ist The Punisher in dieser Beziehung selbst für nicht gerade zartbesaitete Gemüter manchmal durch ihre rohe und kompromisslose Darstellung starker Tobak. Bis man zu diesem Level gelangt, dauert es. Den Vorwurf, dass viele Netflix-Serien geschwätzig, dabei ziemlich nichtssagend und langsam sind, versteht man als Fan des Streamingdienstes spätestens bei The Punisher. Der Einstieg gestaltet sich manchmal etwas zäh und das vorsichtige Voranbringen der Story scheint darauf abzuzielen, eine eigentlich geradlinig erzählte Geschichte mittels des Schlagens einiger Haken auszudehnen. Glücklicherweise kann der sehr gut ausgewählte Cast, neben Bernthal machen auch Ebon Moss-Bachrach als Lieberman, Amber Rose Revah als Dinah Madani oder Ben Barnes als Billy Russo eine mehr als gute Figur. Durch ihre Leistungen verzeiht man die Längen der ersten drei Episoden. Die Autoren der Serie nehmen sich fast schon zu viel Zeit, dem Zuschauer ihre Figuren vorzustellen.
Spätestens mit Episode Vier mausert sich The Punisher zu einer Serie, die gekonnt zwischen Action, Suspense und Drama schwankt . Mehr noch entwickelt sich ausgerechnet eine Verfilmung eines Marvel-Comics zu einem auf den zweiten Blick zurückhaltenden, aber einen klaren Standpunkt vertretenden Politikum. Die Hauptlinien der Geschichte, Frank und Micros Kampf gegen die Schuldigen ihrer jetzigen Situation, Madanis Jagd auf die eben diese und auch auf Castle selbst, die zuerst undurchsichtige Rolle von Franks altem Freund und Inhaber der Sicherheitsfirma Anvil Billy Russo und dem jungen Kriegsveteranen Lewis Walcott geben zwischen den Zeilen das Ansinnen der Macher Preis, The Punisher nicht zu einer zu einfach gestrickten Action-Szene zu machen. Klare Aussage: es herrscht Krieg. Auf den Straßen New Yorks wie in den Protagonisten selbst. Frank kämpft mit seinen Dämonen, diesem übergroßen Trauma, Micro mit seinem Schicksal, welches ihn von seiner geliebten Familie, die er durch die in deren Haus versteckten Kameras immer im Blick, aber nicht bei sich hat. Der Krieg ist im Verborgenen im faulen System der staatlichen Sicherheitsbehörden, die von Korruption gebeutelt sind. Der Krieg ist auch in den Seelen derer, die aus eben diesem kommen und nun nichts mit sich anfangen und in der normalen Welt sich schwer zurecht finden können. Stellvertretend ist hier Lewis, dessen Ver- und Rückfall trotz der dezenten Verwendung von Klischees und dem nicht immer funktionierenden Versuch, ihn zu einem modernen Travis Bickle zu machen, einen Eindruck hinterlässt.
Beinahe könnte man The Punisher als filmische Version Marvels von Oliver Stones Geboren am 4. Juli bezeichnen, die Serie erreicht aber niemals dessen Klasse. Die Autoren versuchen inmitten der gewalt(tät)igen Epik dem Drama um den heimgekehrten Veteranen genügend Raum zu geben. In den Flashbacks des Protagonisten selbst, welche gleichzeitig als Rückblenden das Schicksal von Franks Familie erklären, wird Franks zweiter Krieg anschaulich gezeigt. Vom Einsatz in Afghanistan zurück, kämpft er gegen den Alltag, gegen das nutzlos sein und sich so fühlen. Krieg und Armee lassen einen ausgebrannt zurück, für eine normale Welt ohne ständige Feuergefechte und Bombardements fast dysfunktional. Durch eine Schießerei zweier verfeindeter Gangs, zwischen die seine Familie geriet und ausgelöscht wurde, wird Frank der letzte Halt, fast der letzte Kontakt zur restlichen Welt genommen. Wie schwer es ihm fällt, mit anderen Menschen zu interagieren, nachdem er komplett von seiner Trauer und dem Hass eingenommen wurde, merkt man an seinen anfänglichen Problemen, wenn er mit Micro gemeinsame Sache macht. Es deutet sich von Folge zu Folge mehr eine leichte Freundschaft zwischen den beiden an, ohne dass die Serie in Plattitüden von Buddy-Movies verfällt. Man könnte das Duo auch die kleinste (und sturste) Trauer-Selbsthilfegruppe der Welt nennen.
Für den Grundton der Serie ebenfalls angenehm ist, dass Frank Castle kein Love Interest geschenkt bekommt. Irgendwas ist da wohl in seinem Herzen, was er für Karen Page, die ehemalige Sekretärin in der Kanzlei Nelson und Murdock, welche als Reporterin beim New York Bulletin zu arbeiten begann, empfindet. Es ist spürbar, diesen Faden lassen die Autoren aber liegen. Auch die Avancen, die ihm Davids Frau macht, prallen ab, was hier an Castles Anstand liegt. Dinah Madani beginnt hingegen, eine sehr innige Beziehung zu Billy Russo zu pflegen. Eine weitere Liebesgeschichte wäre auch zu viel gewesen und hätte dem Fluss der Story nicht gut getan. Immerhin gilt es, die einzelnen Fäden zusammenlaufen zu lassen. Die gemächliche Gangart der Erzählung wäre damit wohl stark ins Stocken geraten. Bemüht sie sich doch, neben dem eigens gewählten, damit gewollten Anspruch eben eine Serie im Marvel-Universum zu sein, die mit ihrer Figur des Punishers eine Erwartungshaltung der Fans bezüglich der Action zu befriedigen hat. Eine ausgeglichene Erzählstruktur gelingt ihr nicht immer. Nach einem zähen Einstieg müht sich The Punisher in der Mitte der ersten Staffel, den Anspruch und die Action unter einen Hut zu bekommen. Das führt dazu, dass selbst eigenwillige Sequenzen wie die Jagd einer Söldnergruppe durch den Wald, teils im POV der Helmkameras der Söldner gefilmt, in ihrer ganzen Qualität erst spät glänzen kann. Wie die Soldaten selbst wird die Serie fast von der Last des Kriegs und den hiermit verbundenen Qualen erdrückt.
Die Betonung liegt auf fast, schafft es The Punisher in einem für Comic-Verfilmungen zuerst ungewöhnlich wirkenden Schwermut, die Zuschauer zwischen all den Kämpfen der existierenden Parteien zum Nachdenken anzuregen. Mehrmals ist man sogar geneigt, die reaktionären Meinungen einiger Figuren, die größtenteils von Staatsbediensteten kommen, als Seitenhieb auf die aktuelle politische Lage in den USA seit Beginn der Präsidentschaft vom millionenschweren Populisten Donald Trump, zu sehen. Es ist ein falscher Weg, Gewalt mit Gegengewalt blind zu bekämpfen und Vergeltung zu erlangen. Die Serie sensibilisiert für das Thema der mit sich alleine gelassenen Veteranen, egal in welchem Krieg sie an der Front standen, die sich meist nur durch selbst organisierte Hilfegruppen unterstützen. Der ruhige Soundtrack, der vom Titel-Theme an sich am Blues orientiert, verstärkt die von grimmiger Trauer getragene Atmosphäre. Der gewollte politische Ton und die damit aufgegriffenen Themen lenken zudem geschickt davon ab, dass die Geschichte von The Punisher äußerst klassisch ist: ein einzelner bzw. wenige stellen sich gegen den übermächtigen, korrupten Apparat des Staates und kämpfen mit allen Mitteln gegen dessen gefühlte Übermacht an. Was Steve Lightfoot und Co. haben daraus eine äußerst gute Serie geschaffen, die den düsteren Ton und dessen erwachsene, weil äußerst explizite Gangart der Vorlage punktgenau treffen.
Man versucht auch nicht auf Teufel komm raus, einer der Serien der Comics nachzueifern, wie es War Zone versucht. Am ehesten kann man die Netflix-Version des Punishers mit den Comics, die unter dem Marvel MAX-Label erscheinen, vergleichen. Die seit 2001 unter diesem Label erscheinenden Reihen richten sich an ein erwachsenes Publikum und sind in der Darstellung von Gewalt expliziter und weitaus düsterer als die gewöhnlichen Comics aus dem Hause. Ab dem Jahr 2004 erschienen auch Punisher-Serien unter der Marke MAX und eine weitere Serienheldin von Netflix ist hier zu finden: Privatdetektivin und ehemalige Superheldin Jessica Jones ist Protagonistin der allerersten Marvel MAX-Serie Alias. Ein weiterer Punkt bestärkt den Vergleich: wie in den MAX-Comics des Punishers ist die Serie eine Welt ohne Superhelden. Übernatürliche, kostümierte Verbrechensbekämpfer sucht man hier vergebens und auch die Ereignisse der Kinofilme werden komplett ausgeblendet. Einzige Verknüpfungen mit den anderen Serien ist neben Karen Page, die man aus Daredevil kennt, der Kleinkriminelle Turk Barrett. Dieser ist ebenfalls in Daredevil, wie auch in Luke Cage und The Defenders zu sehen. Ebenfalls schön zu sehen ist, dass zwei weitere bekannte Figuren der Comics ins MCU geholt worden sind. Zum einen Micro, der in den Comics als Sidekick des Punishers fungiert und hier zum heimlichen Liebling avanciert und Billy Russo, der in den Comics zu Jigsaw wird. Die Hintergrundgeschichte wurde für die Serie zwar auch umgeschrieben und angepasst, ist im Kosmos der Serie vollkommen schlüssig.
The Punisher hat wie ihre Titelfigur Ecken und Kanten und ist keine weich gezeichnete Einheits-Comic-Verfilmung die mit abgedrehten Fantastereien um die Ecke kommt. Erinnerten die anderen Netflix-Verfilmungen in ihrem Grundton an die realistisch geprägte Batman-Trilogie von Christopher Nolan, in denen in einer (be)greifbaren Umgebung die Figuren der Comics dieser angepasst wurden und die phantastischen Elemente dezenter eingesetzt sind ohne den Stoff zu einem weiteren abgehobenen Blockbuster zu machen, geht The Punisher noch einen Schritt weiter. Die Serie ist befreit vom überirdischen der restlichen Marvel-Serien und Filme. Frank Castles Welt ist jeder Zeit greif- und fühlbar, einfach echt, obwohl die Fiktion des Stoffes auf klassischen Thrillermotiven ruht. Man gibt seinem Charakter Zeit und Raum, was man als Fan der Figur dankend annimmt. Niemals war Frank Castle so vielschichtig wie hier. Somit kommen wir zurück zu einer bereits getroffenen Aussage: sicher kann man nicht viel von Marvel- (oder auch DC-)Verfilmungen halten, sie wegen ihrer Oberflächlichkeit und dem manchmal bemühten abwenden davon, ohne es komplett zu schaffen, nicht mögen. Man darf natürlich Superhelden generell nicht mögen, weil es einfach nicht dem persönlichen Geschmack entspricht. Wer auf eine interessante Mischung zwischen knallharter Action, die trotz ihrem brisanten Thema Selbstjustiz niemals in selbstzweckhafte Plattitüden abdriftet, und Drama mag, sollte The Punisher anschauen. Meiner persönlichen Meinung nach ist die Serie zusammen mit Daredevil das Beste, was das Marvel Cinematic Universe (gerade wenn man nach erwachsener Unterhaltung sucht) zu bieten hat.
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