Mittwoch, 20. Februar 2019

Child Eater

Klingt doch beinahe einleuchtend: wenn Menschen vor hunderten von Jahren innerhalb religiöser Rituale ihre toten Gegner oder Teile von diesem verspeisten, damit deren Kräfte auf einen selbst übergehen, dann kann man ruhig die Augen von Kinder verspeisen, um die schwindende Sehkraft aufzuhalten. Dieser Maxime folgend, schnetzelt sich der totgeglaubte Serienmörder Robert Bowery durch den Indie-Horrorfilm Child Eater. Geschrieben und inszeniert vom Isländer Erlingur Thoroddsen, der mittels Kickstarter-Kampagne seinen eigenen Kurzfilm zu einem Langfilm machte. In diesem zitiert Thoroddsen enthusiastisch Carpenters Halloween so ausgiebig, dass seine krude Idee um den Augen verspeisenden Boogey Man wenig Eigenleben geschenkt bekommt. Ich als Zuschauer kann als vorgeschobenes Fazit den Titel eines Remarque-Klassikers umdichten: Im Slasher nichts Neues.

Als 14-minütiger Short Shocker erfindet der Isländer weder das Rad noch sonstige Errungenschaften neu, liefert dafür aber einen routiniert umgesetzten Mini-Slasher mit Fanfilm-Charakter ab, der - wie der Langfilm - im Endeffekt weniger von den ausgelutschten Schock-Momenten, sondern mehr von der hin und wieder aufblitzenden fiesen Stimmung mit Auftauchen Bowerys lebt. Mit seiner übergroßen Brille und dem schmalen, eingefallenen Gesicht erhält die Figur ein einprägsames Äußeres. Sieht der Mörder im Kurzfilm manchmal noch wie ein verirrter Rentner aus, gelingt es Thoroddsen in seinem Langfilm-Debüt Bowery eine furchteinflößende Aura zu schenken. Wäre da nicht der merkbar bemühte Versuch, die simple Handlung des Kurzfilms auf Spielfilmlänge zu strecken.

Babysitterin Helen, im Kurz- wie im Langfilm von Cait Bliss dargestellt, schlägt sich mit den kleinen Lukas herum, der mitbekommen hat, wo er mit seinem Vater überhaupt hingezogen ist: es ist die alte Bleibe von Robert Bowery, der in der nahe gelegenen Scheune fröhlich den Augendübler spielte. Lukas Berichte über Sichtungen eines schwarzen Mannes im umliegenden Wald und Nachts in seinem Schrank schenkt man keinen Glauben; typische kindliche Hirngespinste wie man meint. Bis Lukas plötzlich verschwindet und Helen mit ihrem Freund Tom versucht, diesen wieder aufzuspüren. Als dies nicht zum gewünschten Erfolg führt, schaltet sie ihren bei der Polizei arbeitenden besten Freund Casey ein. Neben Bowery selbst taucht zusätzlich noch eine alte, verwirrte Einäugige auf, deren Mysterium vom Zuschauer schnell durchschaut wird.

Aus dem vermeintlichen Monster in the Closet lässt Thoroddsen zu schnell die Fleisch gewordene Bedrohung wachsen. Die Möglichkeit, mit Lukas kindlicher Sicht auf die Dinge den Slasher aufzubauen, gibt er für Situationen auf, die man bereits häufig und - leider - besser gesehen hat. Bemüht versucht man mit im nächtlichen Wald umherirrenden Menschen Spannung aufzubauen, nur um diese in vereinzelte, blutige Money Shots rennen zu lassen. Egal ob 1986, 1998 oder 2019: weitgehend unbekannte Darsteller, die mit ihrem Spiel lediglich die Planlosigkeit des Drehbuchs darstellen, durch Wald, Wiese, verlassene Gebäude etc. rennen zu lassen, war selten wirklich spannend. Hohen Blutzoll, um dieses Manko auszugleichen - wenigstens in Slashern funktioniert sowas ansatzweise - sollte man ebenfalls nicht erwarten. Thoroddsens Child Eater verirrt sich zu schnell im großflächigen Forst der grenzenlosen Spannungslosigkeit. Wenn der Film für etwas steht wie sein Subgenre an und für sich, dann für weitgehende Mittelmäßigkeit.
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