Samstag, 23. März 2019

Swimming Pool - Der Tod feiert mit

Manchmal ist die Abneigung einiger Filminteressierter gegenüber deutscher Filme (fast) verständlich. Neben der "kopflastigen Scheiße" des Autorenkinos scheint es nur leichte Kost bestehend aus krachend brachialer Comedy oder zähflüssige Romantiksauce, häufiger aus der Tratorria Schweiger stammend, zu geben. Muten letztere häufiger als Abklatsch der ebenso meist nervigen RomComs aus der Traumfabrik an, winken viele (Hardcore-)Horrorfans ab, wenn sie erfahren, dass ein Genrefilm aus Deutschland stammt, anstatt mal ihre Scheuklappen abzunehmen. Häufiges Argument ist, dass die hiesigen Filmemacher nur schlecht kopieren können. Junge, frische Filmemacher strafen in den letzten Jahren diese Aussagen lügen. Wobei man dort angeblich wieder das als urdeutsche Eigenart ausgemachte Problem der verkopften Herangehensweise hat.

Auf der anderen Seite der Medaille gab und gibt es im Mainstream der überschaubaren deutschen Kinolandschaft Kopien amerikanischer Erfolgsfilme. Als Wes Craven seinen ironisch gefärbten Meta-Schlitzer Scream auf das Publikum los ließ und in den ausgehenden 90ern und beginnenden 2000ern eine neue Slasher-Welle auslöste, wollten auch deutsche Kinoproduzenten sich am Horror für das überwiegend jugendliche Publikum versuchen. Der 2001 entstandene Swimming Pool, stilecht mit einem für deutsche Verleihs üblichen, einfallslosen Untertitel versehen, tarnt sich in angeblicher Internationalität. Der Cast vereint Darsteller aus Deutschland, Großbritannien und den USA. Darunter der damals noch Haare besitzende James McAvoy als grinsendes Nebenrollen-Opfer, lange vor seiner Hollywood-Karriere als junger Professor X in der zweiten Zeitlinie des X-Men-Franchise.

In Swimming Pool gehört zu einer Clique, welche auf einem internationalen Internat in Prag frisch das Abitur bestanden hat. Da den reichen Kids die offizielle Abschlusssause zu langweilig ist, plant Rudelsführer Gregor eine geheime Party in einem Schwimmbad. Nach dem ohne Komplikationen verlaufenden Einbruch lassen es sich die Kids wie man es aus dem Subgenre kennt mit reichlich Alkohol, gelöster Stimmung, wenig Textilien am gut gebauten Körper und gesteigerter Libido gut gehen. Dunkle Wolken ziehen erst auf, als sich das Wasser mit Blut vermischt und ein Rich Kid nach dem anderen ins Gras beißt. Ein Mörder befindet sich in den Reihen der Jugendlichen, die im versehentlich abgeriegelten Schwimmbad um ihr Leben kämpfen während draußen ein abgehalfteter Kommissar einen Mord untersucht, der mit den Bluttaten im Bad in Verbindung stehen könnte.

Ihre Hausaufgaben haben die Macher des Films schon aufmerksam gemacht. Swimming Pool orientiert sich überdeutlich an den Erfolgsfilmen der damaligen Zeit, zeigt privilegierte Jugendliche zwischen Altersgruppen- und First World-Problems, die wie in Slashern aus dem Amiland schablonenhafte Charaktere sind, die einzig deswegen existieren, um ihrer Existenz beraubt zu werden. Geleckte Bilder sollen den überwiegend in Tschechien gedrehten Film als teures A-Produkt verkaufen, während der Soundtrack es den US-Vorbildern gleich tut und aus Pop-Punk und Alternative Rock besteht. Dort tauchen neben der damals erfolgreichen Crossover-Truppe Guano Apes auch die erst bekannt werdenden Donots auf, deren erster Hit "Whatever Happened To The 80s" einen netten wie kurzen Flashback in die eigene Jugendzeit bietet.

Apropos Flashback: der gleichnamige Film, ebenfalls ein aus Deutschland stammender, ein Jahr früher entstandener Slasher, hat im direkten Vergleich mit Swimming Pool die Nase vorn. Beide Filme vereint die überdeutliche Orientierung an den US-Slashern der beginnenden 2000er, wobei Flashback weniger amerikanisiert wie Swimming Pool anmutet. Nicht zuletzt durch die Location wirkt der zum Vergleich herangezogene Film deutscher und besitzt deutlich mehr Drive und (positiven) Trash-Appeal. Um wenigstens ein durch die Thematik des Films sich anbietendes, flaches Wortspiel zu bieten, kann man Boris von Sychowskis Film attestieren, dass er nicht komplett absäuft. Technisch einwandfrei auf die Leinwand gezimmert, verkommt er leider zu einer einfallslosen Kopie, die selbst das im Subgenre häufig auftretende löchrige Drehbuch mit sich bringt. Das vom Verleih anvisierte jugendliche Publikum sollte, anders als Gorebauern und Splatterkiddies, nicht davon abgeschreckt werden, dass sie in einem deutschen Horrorfilm sitzen und mit dem gelöhnten Obolus die Kassen klingeln lassen. Das führte zu einem identitätslosen Film, der meist dann ganz okay funktioniert, wenn der mit austauschbarer Maskierung ausgestattete Killer in Erscheinung tritt, bevor er wieder im - Wortspiel ahead - Durchschnitt planscht.
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What The Waters Left Behind

Am 10. November 1985 ging Villa Epecuén unter. Stark anhaltende Regenfälle ließen den nahegelegenen See über die Ufer treten und letztendlich die Rückhaltewand der spärlichen Lehmdämme brechen. Die Bewohner des kleinen Ortes flüchteten so schnell sie konnten, während die Fluten des gestauten Sees die Stadt verschwinden ließ. Videoaufnahmen dieser Tragödie eröffnen den argentinischen Horrorschocker What The Waters Left Behind, dessen Titel auf die letzten Jahre anspielt. 2009 zog sich das Wasser nach und nach zurück und legte die Ruinen von Epecuén frei. Surrealistisch mutete das Bild der Trümmer dieser Geisterstadt an: wie das vom Ausbruch des Vesuv überraschte Pompeii stellt der verwüstete Ort und sein Umland ein Zeitzeugnis dar: zurückgelassene Wägen, Wohnungen, Häuser muten an, als hätte jemand den Lauf des Lebens der Bewohner per Druck auf die Pausetaste angehalten, bevor die Fluten alles verschluckten.

Für das Brüderpaar Luciano und Nicolás Onetti, welche zuletzt mit der detailliert wie bemüht auf alt getrimmten Giallo-Hommage Francesca (Besprechung hier) auf der Bildfläche erschienen, bietet Epecuén die passende Kulisse für ihren Backwood-Horror und ist gleichzeitig Inspiration für ihre Geschichte: ein klischeehaft gezeichneter, gestresster und divenhafter Filmemacher, der über die Tragödie eine Dokumentation drehen möchte, reist mit seinem kleinen Team und einer Überlebenden in die Geisterstadt, um für das Projekt Aufnahmen zu machen. Bis der Horror für die austauschbaren Figuren losbricht, strengen sie den Zuschauer mit Zickereien und Streitigkeiten an, bevor sie bemerken, dass die verwüstete Stadt gar nicht so verlassen ist, wie sie wirkt. Ein degenerierter Clan von Kannibalen hat es sich im argentinischen Hinterland gemütlich gemacht und bietet mit seinem Auftauchen eine wenig erbauliche Mischung aus Terrorfilm, Backwood-Slasher und Torture Porn.

Überdeutlich orientiert sich das Regie-Duo an großen Vorbildern wie The Texas Chainsaw Massacre oder Wes Cravens The Hills Have Eyes. Die Reise nach Epecuén in einem VW-Bus lässt ikonische Einstellungen aus Tobe Hoopers meisterlichem Kettensägenschocker weniger als Zitat, mehr als bis auf wenige Details abgeänderte Nachstellungen aufleben. Der Zwischenstopp bei einer verfallenen Tankstelle mitsamt auf der verschmutzten Toilette hängenden Zeitungsschnipsel über in der Region vermisste Personen bietet einen ersten, vagen Ausblick auf die menschenfressenden Antagonisten. Was als überdeutliche Hommage an die Klassiker des Subgenres beginnt, kippt mit jeder Minute nach dem Auftauchen des Clans in ein ideenarmes und spärlich interessantes Horrorstückwerk. Die Folterungen an den Gefangenen Filmcrew-Mitglieder könnte sogar Eli Roth im fiebrigen Magen-Darm-Grippe-Delirium besser abfilmen. Bei den Onettis ist das Foltermittel nicht das Leid der Protagonisten, deren schablonenhaftes Dasein dem Zuschauer schnell gleichgültig ist, sondern die Langeweile der schleppend voranschreitenden zweiten Hälfte.

Die Regisseure und Autoren verwechseln Hommage mit bloßem Kopieren. Auch die aus The Texas Chainsaw Massacre bekannte Dinner-Szene wird frohen Mutes wenig variiert in den Film eingebaut. Als Zuschauer fragt man sich wie die Protagonisten, wann das Martyrium endlich endet. Mit Eigenständigkeit hat What The Waters Left Behind bis auf den reellen Hintergrund und den Originalschauplätzen wenig am Hut. Letztere sorgen für eine interessante Kulisse, in der man einen wenigstens kurzweiligen Hinterwäldlerhorror hätte umsetzen können. Nach dem durchaus ambitionierten Francesca ist dieser Film nahezu eine Bankrotterklärung. Man möchte den Onettis zureden, dass sie lieber eine kreative Insolvenzerklärung aus Mangel an restlichem Talent abgeben sollten, als nochmal einen Film zu machen. Oder versuchen, wenigstens halbwegs eigenständige Werke abzuliefern. Mit dem als Hommage konzeptionierten What The Waters Left Behind wirken sie leider wie zwei über das Ziel hinaus schießende Fanfilmer, welche wie einst Epecuén mit ihrem Film sang und klanglos untergehen.
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Donnerstag, 14. März 2019

Pin Cushion

Der gesellschaftliche Standard, die normative Definition dessen, was der größte Teil der Menschen als normal betrachtet, ist entgegen aller Öffnung über die Jahrzehnte gegenüber vormals geächteten, am Rande existierenden Gesellschaftsgruppen in manchen Schichten weiterhin eng gesteckt. Als Jugendlicher hat man es schnell schwer, wenn man nicht dem streng festgelegten Maßstab seiner gleichaltrigen Mitmenschen entspricht. Zumindest, wenn man die Abweichung von der Norm nicht selbst gewählt hat. Spinner. Verlierer. Nerd. Uncool. Außenseiter. Gleich ob freiwillig oder wegen anderer Umstände nicht ins Raster passend, trägt man eine imaginäre Zielscheibe; ist das zarte Lamm, in das die mobbenden Wölfe mit asozialen oder hinterhältigen Aktionen ihre schmerzenden Reißzähne stoßen. Die hinterlassenen psychische und soziale Wunden klaffen so tief, dass sie in manchen Fällen unterbewusst nie komplett verheilen.

Der unbedingte Drang, dazugehören zu wollen, treibt weiter ins schmerzende Verderben voller kleiner und großer Demütigungen. Deborah Haywoods Umgang mit dieser Thematik in ihrem Debüt Pin Cushion umweht eine kühle Aura. Im nüchternen Blick auf den Kampf ihrer beiden Protagonisten, in ihrem neuen Wohnort einen Platz in der örtlichen Gesellschaft zu finden, schimmert bei allen schweren Schlägen die Haywoods Geschichte für sie bereit hält, eine Zuneigung für die beiden Frauen aus. Iona und ihre alleinerziehende Mutter Lyn wirken in ihrer eigenen Welt aus bunter, unpassend zusammengepuzzelt erscheinender Kleidung, ebenso farbenfroher und vor Kitsch überquillender Einrichtung in ihrem kleinen Haus und ihrem zuerst ungewöhnlich nahen und liebevollen Umgang miteinander hochgradig schrullig. Diese quirkiness lässt für beide große Sympathien wachsen. Gleichzeitig zeigt Haywood, wie unsicher sie einzeln außerhalb ihrer gewohnten Umgebung, der eigenen kleinen Welt, sind.

Iona findet schnell Anschluss, lügt der Mutter sozusagen aber vor, dass sie in ihren falsch spielenden Klassenkameradinnen Stacey, Keeley und Chelsea Freundinnen gefunden hat. Auch Lyn, die für ihre Tochter fürsorgende Mutter und beste Freundin zugleich sein will, ist ihrem Kind gegenüber unehrlich. Ihre angeblichen Dates, ihre Besuche bei Gemeindeveranstaltungen scheitern an ihrem nicht vorhandenen Selbstbewusstsein und sozialen Ängsten, resultierend aus Scham vor ihrem verwachsenen Rücken. Als Iona, deren Tagträume bereits andeuten, dass sich das Mädchen ein Leben wie aus dem Werbeprospekt weit weg von den Schrulligkeiten der Mutter wünscht, sich von ihrer Mutter abnabelt, um ihren angeblichen Freundinnen zu gefallen, stürzt dies Lyn in ein weiteres Loch währen das andauernde Mobbing der Mädchen Iona beständig zermürbt. Bei einer Party geschossene Nacktfotos der stark alkoholisierten Jugendlichen, die in der Schule umgehen und der Verlust ihres Schwarms Daz an Keeley führen zu einer Tragödie, welche die Welt von Lyn und Iona zum Einstürzen bringt, als Lyn zufällig von den Nacktfotos erfährt.

Frei von Klischees ist Haywoods Script nicht. Pin Cushion erscheint manchmal wie eine Worst of-Sammlung von Dingen, die Jugendlichen im Bezug auf Mobbing in der Schule und Identitätssuche in der Pubertät widerfahren können. Iona scheint kein Glück gegönnt; alle kleinen Lichtblicke vernichtet die Autorin zugunsten weiterer Dramatik und der Verlust des Freunds an die Anführerin der Clique ist auch in seichten Teenie-Filmen seit Jahr und Tag ein gern genutztes Element. Ist Deborah Haywood demnach eine Sadistin, die ihren Figuren und dem Zuschauer keine Hoffnung gönnt? Eher ist sie eine schonungslose Realistin, um die Aktualität ihres Filmthemas bewusst, welche das schlimmstmögliche Szenario zeichnet. Iona und Lyn sind Social Outcasts, die schwer außerhalb ihres Kosmos existieren können. So unangenehm viele Szenen um Ionas Bemühungen, zur Mädchenclique gehören zu wollen, die die Naivität der jungen Dame schonungslos offenlegt, sind und so traurig Lyns scheiternde Bestrebungen sind, weg von ihrer Tochter Anschluss zu finden: Haywood schafft durch die detaillierte Einführung ihrer Hauptfiguren eine nahe Bindung des Zuschauers zu diesen.

Häufig möchte man Iona verzweifelt zurufen oder an den Schultern packen und schütteln, damit sie aufwacht und bemerkt, wie man mit ihr umgeht oder sie und ihre Mutter einfach in den Arm nehmen, wenn das Schicksal einmal mehr gnadenlos zugeschlagen hat. An Schicksalsschlägen mangelt es dem Film nicht. Haywoods Blick auf die Welt junger Heranwachsender und den Problemen von sozialen Außenseitern, einen Platz in einer immer egomanischeren, hier auch oberflächlichen Welt zu finden, ist düster. Es gibt keinen Ausweg aus der Abwärtsspirale. Lyns gewählte Konsequenz als Rache an der Clique für deren fortdauerndes Mobbing ist zwar erschütternd, die ständige negative Richtung der Geschichte schenkt ihm leider den Nachgeschmack eines weiteren Schlags der Autorin gegen ihre Figuren. Erst die Schlusseinstellung lässt nach allen bitteren Stationen für Iona und Lyn Platz für teils fehlende Emotionen, deren Endeinstellung traurig wie schön zugleich ist. Pin Cushion ist ein - Nomen est omen - spitz zustechender Film mit hoffnungsloser Tonalität, hinter dessen Fassade man Haywoods Zuneigung zu den eigenen Figuren spürt und gleichzeitig beißend rational auf diese Außenseiter und ihre psychischen und soziale Probleme blickt. Die stets unaufgeregte, ruhige Regie und die tolle Darstellung der markanten Lily Newmark als Iona und von Joanna Scanlan als Lyn machen dabei aus Pin Cushion einen kleinen Geheimtipp des Coming of Age-Dramas.
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Samstag, 2. März 2019

Humongous

Verkorkst. Müsste man Humongous mit genau einem Wort beschreiben, würde dies auf einigen Ebenen den Film treffend bezeichnen. Gleichzeitig wäre es voreilig anzunehmen, dass in den folgenden Zeilen ein Verriss eines Werks folgt, welches allgemein eher schlechte Stimmen, maximal durchschnittliche Urteile, abbekommt. Bei vielem, was ihm vorgeworfen wird, kann ich sogar zustimmen. Einfallsreich geht anders, wandelt man doch zwischen frühem Slasher und seichten Mystery-Gefilden und schenkt allem eine ganz eigene Definition von Backwood-Setting. In diesem stolpert eine Gruppe austauschbarer Jugendlicher über die sogenannte Hundeinsel, auf welche diese sich nach einem Unfall mit ihrem Boot retten. Der überzeichnete wie gleichzeitig verkorkste Nick bekommt in einem Anfall aus Wut und Eifersucht auf seinen Superduper-Bruder Eric die Idee, während ihres kleinen Trips das Boot des Nachts wieder auf Kurs nach Hause zu bringen. Dem Disput mit Eric folgt eine Rangelei, mit unglücklicher Kettenreaktion aus Auflaufen auf einem Felsen, ausbrechenden Feuer und einer Explosion.

Zuvor erfuhren die jungen Leute vom gekenterten und von ihnen geretteten Bert vom geheimnisumwitterten Eiland, auf dem Ida Parsons mit ihrem Sohn und ihren Hunden zurückgezogen leben soll. Nach einem nicht näher bekannten schweren Schicksalsschlag soll sich die Frau auf die Insel zurückgezogen haben und wurde seitdem fast nicht mehr gesehen. Im Prolog des Films lernen wir Zuschauer, dass Idas Sohn aus einer intensiv wie böse gefilmten Vergewaltigung entstanden ist. Um schnelle Rettung bemüht, will sich ausgerechnet Nick durch den dichten Wald der Insel zum Anwesen Parsons durchschlagen. Als dieser nicht zurückkommt, machen sich Eric und seine Freundin Sandy ebenfalls auf dem Weg zum Haus in der Mitte der Insel um den verschollenen Bruder und Parsons Haus zu finden und entdecken dabei die Skelette der wilden Hunde und machen, den Regeln des Genres brav folgend, am Ziel angekommen Bekanntschaft mit dem augenscheinlich schlecht gelaunten und mörderisch veranlagten letzten Bewohner der Insel.

War das von Humongous zum größten Teil bediente Slasher-Genre 1982 auf seinem ersten Höhepunkt angekommen, scheinen die Macher für ihren Film dessen Grundgerüste einzig dafür zu nutzen, eilig zusammenkonstruierte Spannungsszenen aneinander zu leimen ohne großes Gespür für die Story zu haben. Regisseur Paul Lynch beschränkt sich darauf, die Geschichte im Minimalprinzip ihrem Ende entgegen zu bringen. Er ist weiter nichts als der Zivi, welcher dem fragilen, weil dünn zusammengehaltenen, damals wohl als alt(backen) wahrgenommenen Konstrukt an Genre-Fragmenten in reiner Arbeitsroutine feststeckend zum Ende hilft. Mehr hätte Lynch nicht aus dem Stoff herausholen können, dessen konservative Auslegung von Horror und Spannung so vorhersehbar ist, dass der Film zum größten Teil unspektakulär vor sich hin plätschert. Wäre da nicht - zumindest für mich - dieses kleine aber, was mich den Film mögen lässt. Manchmal gibt es diese ereignislosen, in ihrer Tiefe leeren Filme, in denen ich mich aus den verschiedensten Gründen verlieren kann.

Transportiert durch eine melancholische Stimmung des Verfalls, durchzieht diese Leere Humongous und macht ihn zu einem objektiv langweiligen Film, dessen Atmosphäre einen betörenden Duft süßer Schwermut verströmt. Verspricht der Anfang durch die im Off stattfindende, mit subjektivem Shot auf den Täter bedrohlich intim und brutal eingefangene Vergewaltigung und dem von getragenen Jazz-Klängen und vergilbten Fotografien geprägten Vorspann einen ansprechenden Film. Gebrochen wird es direkt im Anschluss an diesen mit Figuren, die wenig Empathie beim Zuschauer aufkommen lassen, die bis auf wenige Ausnahmen unsympathisch gezeichnet sind und einer Handlung, deren Bestandteile man woanders schon ansprechender gesehen hat. Dann sind da aber diese Bilder, die Kameraarbeit beschert dazu ein paar hübsche Einstellungen, die vom Verfall durchzogen grob eine ähnliche Stimmung erzeugen wie im von mir sehr geschätzten Dead & Buried. Im Vergleich mit diesem fehlt es Humongous an feinerer Ausarbeitung.

Die grobschlächtige Art und manchmal fehlende Feinfühligkeit ist eine Eigenschaft des B-Horror-Kinos, das in seiner Nutzung einfachster Mittel zur Erzeugung von Effektivität seit jeher einen Reiz auf mich ausübt. Gebremst wird dies in den als entscheidend deklarierten Szenen des Films durch seine viel zu dunklen Nacht-Szenen. Der Day-For-Night-Filter (einige dieser im Trailer vorkommenden Szenen, z. B. Nicks Flucht durch den Wald, spielen darin bei hellichtem Tag) ist leider eine ganze Spur zu dunkel geraten. Der Wechsel auf die Tagszenen kommt da richtig einer Wohltat gleich und erinnert weniger an das schauen eines x-fach kopierten Videotapes. Bei Humongous ist es äußerst bedauerlich, dass man es sich hier zu einfach machte. An Obskuritäten (Stichwort: Blaubeer-Dekolleté), gorigen Schauwerten, richtige Entscheidungen für die Handlung (selbst wenn man schnell erahnt, wer auf der Insel für Tod und Verderben sorgt, wird der Killer erst im Finale richtig vor der Kamera präsent) um alles wenigstens irgendwie aufzuwerten oder den Zuschauer bei der Stange zu halten, bietet er zu wenig. Wäre da subjektiv wahrgenommen nicht diese modrig hübsche Stimmung von der ich mich gerne einlullen ließ. Christian Keßlers Urteil über Matteis The Riffs 3 - Die Ratten von Manhattan, dass dieser "geil langweilig" ist, ist ebenso gut auf Humongous anzuwenden. Steigernd lässt sich über den Film urteilen, dass er bei allen negativen Punkten geil verkorkst ist. In den kommenden Jahren lasse ich mich sicherlich gerne immer mal wieder mit einer modrig umschmeichelnden Böe aus Langeweile an den Strand der Hundeinsel treiben.
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Freitag, 1. März 2019

Arrival

Ach Menschheit, du großes Stück Scheiße. Außerirdische landen auf dem von dir als Besitz angesehenen Heimatplaneten und du hast nichts besseres zu tun, als dich von deiner schlechtesten Seite zu zeigen. Die zwölf monolithisch in den Himmel aufragenden Gebilde der extraterrestrischen Besucher werden flugs vom Militär abgeriegelt, gesichert; besser noch: umzingelt. Verständlich ist die Unsicherheit. Gleichzeitig schwillt die Sorge über einen Militärschlag, weil irgendwem der Finger locker sitzt. Anders als die Amerikaner sind andere Nationen weniger bedacht und um Dialog bemüht. Russland. China. Die wenigen, hart erarbeiteten Fortschritte in der Kommunikation mit den Besuchern und die voranschreitende Zeit lassen die Nationen nervös werden. Provokativ soll es sein, dass die Außerirdischen sich nicht regen und in den wenigen Informationen, die bisher gesammelt wurden, nicht deren Absicht herauslesbar ist. Ultimaten werden gesetzt und irgendwann steigen die zuvor bemüht zusammenarbeitenden Nationen aus dem geknüpften Bündnis aus.

Nur die Kriegstreiber No. 1, die USA, bemühen sich im Austausch mit den Fremden. Die Linguistin Louise Banks und der Mathematiker Ian Donnelly werden unter Leitung des Colonel Weber damit beauftragt, einen Austausch mit den Außerirdischen zu finden. Das Paar erarbeitet sich mit Mühen kleine Erfolge im Dialog mit den Aliens, deren Absichten ihres Besuchs herauszufinden. Gängige Verfahren um eine Kommunikation herzustellen scheitern dort wie an den anderen elf Landeplätzen, während Louise mit Ian versucht, die archaisch anmutenden Schriftsymbole der Aliens zu deuten und gleichzeitig dem Druck des Colonels standzuhalten, die Unterhaltungen mit den gigantischen, siebenbeinigen Wesen in die gewünschte Richtung zu lenken. Verwaschene, dunkle, elegische Bilder erzählen von einem Arrival mit bis weit zum Ende hin zuerst ungewissen Ausgang. Denis Villeneuves Science-Fiction-Drama ist ein unaufgeregter Film, dessen in Tristesse versinkende Bildsprache den in der Geschichte innewohnenden Schwermut visuell gekonnt unterstützt.

Es ist eine kurze Geschichte der Zeit und wie sie von uns Menschen, abhängig von Situationen, erlebt und gefühlt wird. Die Außerirdischen nehmen Zeit anders wahr als wir und sie wird für Louise und ihren Forschungspartner zum Schlüssel, die fremde Sprache und die Absichten zu knacken. Weit entfernt von CGI-geschwängerter Blockbuster-Action besitzt Arrival den Spirit der von mir geliebten, spröden Science-Fiction der 70er mit seinen mitunter zäh wirkenden Filmmeditationen wie Lautlos im Weltraum, George Lucas' Debüt THX 1138 oder Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All. Das Storytelling und die Phantastik sind fest in einem realistischen Grundton verankert; die fiktiven Elemente ordnen sich dem Sinn der Geschichte unter und unterlassen den Versuch, mit Effekten oder als Fremdkörper wirkende, sinnlose Actionszenen in dieser zu platzieren. Das langsame vorankommen der Forscher nimmt der Zuschauer so mühsam wie diese wahr; das Drehbuch und Denis Villeneuves sichere Regie benutzen das Thema des Films geschickt und lassen die drei genutzten Zeitebenen so undurchsichtig erscheinen wie es zuerst der Grund des Besuchs der Aliens ist.

Aufgelöst bleibt der große Big Bang für den Zuschauer aus, da hier das Lüften des Schleiers umständlich betrieben wird. Der sachte Mindfuck bleibt bestehen, nur über die vom Film gestellte Frage denkt man erst später, im Nachgang nach, wenn man sich aus dem Griff der Stimmung des Films gelöst hat. Zwischen anstehendem, farblichem Weltuntergang, aus der Vorgeschichte der von Amy Adams wunderbar gespielten Louis kommendem Schwermut und besorgter Unsicherheit über die Zukunft nach der titelgebenden Ankunft schwankt diese und schafft eine dichte Atmosphäre. Die Darstellung über den First Contact und die von Louise durchgeführten Methoden zur Schaffung einer beidseitig funktionierenden Kommunikation wurde im Vorfeld detailliert für den Film recherchiert. Das Script und Villeneuves Umgang bei dessen Umsetzung schaffen glaubhafte Science-Fiction. Die Story wirkt augenscheinlich phantastisch, weit weg und gleichzeitig nachvollziehbar, dass eine Zukunft mit einer unglaublich wirkenden Landung von Außerirdischen auf der Erde vorstellbar wäre.

Vorstellung und Zukunft ist das zentrale Thema von Arrival. Die uns vielleicht quälende Ungewissheit über die Zukunft führt zur Frage, was jeder Einzelne von uns machen würde, wenn diese ihm Bekannt wäre. Offengelegtes Schicksal, mit allen positiven wie negativen Seiten des Lebens. Wären Emotionen wie Angst oder Unsicherheit weiterhin vorhanden oder kann man sich als Mensch davon lösen und die vor einem liegenden Jahre bewusster, selbst bis in die schmerzlichen Augenblicke, erleben? Leider konzentriert sich das Script auf die zentrale Figur von Louis, was andere Charaktere schemenhaft bleiben lassen. Den verfolgten Gedankengang bettet Autor Eric Heisserer in eine gut ausgearbeitete Geschichte, aus der Denis Villeneuve einen cleveren Film geschaffen hat, der - jedenfalls im Moment - in seiner einseitigen Konzentration auf eine Figur (noch) kein Meilenstein des Genres ist, aber locker in diese Liga aufsteigen könnte. Würde man Arrival so bei einer zweiten Sichtung nochmal genau so wahrnehmen wie beim ersten Mal oder bewusster auf andere, in der Geschichte tiefer verborgene Bestandteile achten? David Ehrlich lag mit seiner Theorie, dass es sich hier um einen Film über das zweite, mehrmalige Sehen eines Films handelt, gar nicht mal so verkehrt, wie mir scheint. Die Vielschichtigkeit des Stoffs beschert jetzt schon Freude auf eine zweite Begegnung mit diesem unheimlich guten Film.
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