Freitag, 2. Juni 2023

Milly... und sowas nennt sich seine Mutter

Tausendmal geseh'n, tausendmal hat's nicht tangiert und auch beim tausendundeinen Mal ist die ohnehin allseits bekannte Prämisse eines Films nicht so prickelnd, dass es einen beim Genuss des Werkes vom bevorzugten Sitzmöbel hebt. Der durch seine Fernsehausstrahlungen auch unter dem Alternativtitel Der Todesengel von San Francisco bekannte Thriller aus der dritten (oder vielleicht auch vierten) Reihe schickt seiner im Mittelpunkt der Handlung stehenden Familie ein Schwiegermonster par excellence, frisch aus einer psychiatrischen Anstalt ausgebüxt, auf den Hals, welche weniger harmlos schrullig scheint, als es der erste, oberflächliche Eindruck erwecken mag. Nach zehn Jahren Funkstille steht Milly urplötzlich vor der Tür des trauten Heimes ihres Sohnes Bill, wird von diesem gegen Willen seiner Frau Arlene im geräumigen Domizil der Familie einquartiert und darf mit einigen Auffälligkeiten glänzen. Ob die eventuell mit der Situation heillos überforderte Verwandtschaft der alten Dame deren psychologischen Zustand unterschätzen, ignorieren oder als exzentrischen Zug abtun, bleibt Interpretationssache des Zuschauers.

Gleichermaßen darf geraten werden, was der Film eigentlich sein möchte. Als reiner Thriller lässt er eben diesen Part arg schleifen und paart die verschrobenen Auftritte Millys mit einem überraschungsarmen, sattsam bekannten Handlungsaufbau in dem sie alles aus dem Weg räumt, was in ihren Augen moralisch verkommen ist oder zwischen ihr und dem geliebten Sohn steht. Wenn Milly im letzten Drittel des Films völlig von der Rolle ist und man in einigen Szenen merklich Richtung Slasher steuert, steigert das den Unterhaltungswert zwar nicht in ungeahnt höhere Sphären, aber bringt eine dringend benötigte, aber zu späte Abwechslung. Bis dahin wirft Milly die Frage auf, wieso das dezent vorhandene Potenzial als gallige Satire auf die amerikanische Vorbildsfamilie bzw. Fernsehfamilien aus US-TV-Shows der 70er und 80er nicht komplett abruft. Der Culture Clash zwischen der harmonischen und damit schrecklich ätzenden Vorzeigefamilie und der verschütt' geglaubten Milly lodert kurz auf und löst sich schneller wieder in Rauch auf, als man den deutschen Filmtitel komplett ausgesprochen hat. Das Problem liegt zum größten Teil darin, wie sich der Film präsentiert.

Obwohl anscheinend eine Produktion für den Direct To Video-Markt, wirkt Milly... und sowas nennt sich seine Mutter mehr wie ein Fernsehfilm. Auch die wenigen Effekt- und Nacktszenen, welche man zu Gesicht bekommt, können nicht verhehlen, dass der ganze Rest immer etwas bieder und mit angezogener Handbremse inszeniert wirkt. Als wolle man mit erhobenem Haupte und Restwürde wissentlich im schundigen Filmmorast untergehen und sich ein gewisses (nicht unbedingt vorhandenes) Niveau herbeidenken. Ausgerechnet diese damit vorherrschende Stimmung ist es, die bei Stange halten kann. Das wenige Budget, die Ideenlosigkeit, sichtlich bemühte Darstellerinnen und Darsteller, eine uninspirierte Regie die nur in einzelnen und wenigen Szenen nette Einfälle bietet (gleiches gilt übrigens auch für die Kameraarbeit): es scheint den Menschen vor und hinter der Kamera immer bewusst gewesen zu sein, was man da überhaupt fabriziert. Neben dem über dem Film schwebenden Umstand ist es zuletzt Marilyn Adams, die Ehefrau des in der Comicwelt mehr als geschätzten Neal Adams - der Batman nach seiner durch die TV-Serie der 60s begonnenen quietschbunten Phase zurück in die ernsthafte Düsternis zurückführte - welche mit ihrem leicht daneben wirkenden Overacting in jeder Szene, in der sie zu sehen ist, dem Werk etwas positives schenkt.

Zuletzt irgendwann durch seine häufigeren Ausstrahlungen im Nachtprogramm diverser Privatsender gesehen, war es für mich wie für die Familie von Bill (im übrigens von Joe Estevez gemimt) ein eigenartiges Wiedersehen mit Milly. Ganz wahrscheinlich wäre das die meiste Zeit über cringe, aber auch wenn einem bewusst ist, dass das, was sich da auf dem Bildschirm abspielt alles andere als gut ist, kann man sich als schundfilmaffiner Filmfreund dem verschrobenen Charme des Films nicht ganz verwehren. Nachdem der Film hierzulande vor kurzem leider nur als augenscheinlich leidlich aufgehübschter Videorip auf DVD veröffentlicht wurde (ein Schelm, wer böses dabei denkt...), bleibt zu hoffen, dass sich ein auf solchen Schlock spezialisiertes US-Label wie beispielsweise Culture Shock Releasing dem Werk annimmt und ihn auf ansprechendere Weise auf Blu Ray veröffentlicht. Immerhin haben diese mit der SOV-Produktion The Flesh Merchant bereits ein Werk mit Joe Estevez in der Hauptrolle veröffentlicht, was ein wenig hoffen lässt.

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