Bunty und Babli
Rakesh und Vimmi teilen das gleiche Schicksal: sie sind mit den Plänen, die ihre Eltern für sie haben, nicht einverstanden. Während Rakesh wie sein Vater eine Karriere bei der Bahn anstreben soll, so wollen Vimmis Eltern diese mit einem wohlhabenden und angesehenen Mann verheiraten. Beide reisen aus um ihre Träume zu verwirklichen, die aber schnell am scharfen Rand der Realität zerschnitten werden. Rakesh blitzt mit einer Geschäftsidee bei einer Band ab, Vimmi wird nicht zur Wahl der Miss India angenommen. Beide treffen sich in betrübter Stimmung am Bahnhof und beschließen, die weitere Reise gemeinsam anzutreten - beide denken nicht daran, wieder ins traute Heim zurückzukehren - und dafür sich mit kleineren Gaunereien über Wasser zu halten. Dabei haben sie mit ihren Begrügereien solchen Erfolg, das sie bald in ganz Indien als Bunty (Rakesh) und Babli (Vimmi) berühmt-berüchtigt werden. Alles läuft so lange gut, bis sich ihnen der hartnäckige Polizeiinspektor Dashrath Singh an die Fersen heftet. Die beiden heiraten heimlich, Vimmi wird bald darauf schwanger und Singh hängt ihnen immer näher im Nacken.
Dies ist die Konstellation für eine gut zweieinhalb Stunden andauernde Tour de Force durch ganz Indien, die so unheimlich sympathisch daherkommt, das man ob des verklärten Bildes der vogelfreien und gutherzigen Gangster am liebsten gleich selbst alle Zelte abbrechen möchte, um so eine ganz spezielle Karriere zu starten. So etwas kann man in Bollywood, wie die indische Filmindustrie neckisch genannt wird, aber auch zu gut: Streifen produzieren, die sich mittlerweile nicht mehr hinter den Produktionsstandards der westlichen Filmwelt verstecken müssen und die den Zuschauer in eine völlig andere, teils etwas verklärte, aber dennoch herzerweichende Welt zu entführen. Im Falle von Bunty und Babli schafft man dies schon allein durch die Kraft seiner beiden Hauptdarsteller.
Da hat man zuerst Abhishek Bachchan, Sohn der 70er Jahre-Legende Amitabh Bachchan, welcher als harter Hund hier hinter seinem Filius hinterherjagen darf. Und Bachchan, gemeint ist der jüngere, spielt hier eine Rolle, die ihm auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Gerade als er mit seiner Partnerin richtig aufdreht und im "Job" des lügenden und betrügenden Gangsters durchstartet, blüht auch Bachchan auf. In immer wieder neue Verkleidungen gesteckt, stolziert er mit einer großen Portion Übercoolness durch das Bild um aber auch gleich wieder ein verschmitzter Lausbub zu sein. Schnell fiebert man mit ihm und seiner weiblichen Partnerin schnell mit, wie sie ihre "Streiche" gegen all die schmierigen und heuchlicherischen Reichen spielen. Doch Bachchans Rakesh steht nicht nur für den frechen und unbekümmert in den Tag hineinlebenden Typ, der sich eben mit solchen Gaunereien über Wasser hält. Gerade am Anfang des Films erlebt man ihn auch als hinterfragenden jungen Mann, der vielleicht etwas zu viele hochhängende Träume in seinem Kopf herumträgt, aber auch seine strengen Eltern ins Grübeln bringt. Ist ein angepaßtes Leben, gezwängt in alle Konventionen wirklich ein glückliches? Unterschwellig rebellisch zeigt man hier die Figur, welche sich den vor allen in Indien gestrengen Regeln des Lebens nicht unterwerfen will.
Ihm zur Seite steht die bezaubernde Rani Mukherjee, welche wie ihr Partner schon seit längerem zu den absoluten Topstars im indischen Filmgeschäft gehört. Mukherjee, übrigens die Cousine des Megastars Kajol, die all ihre Reize als verführerische Gaunerin ausspielen darf. Herzerweichend, verträumt und überaus putzig wird sie von der Schauspielerin mit der hinreißend rauchigen Stimme als einem ihrer Markenzeichen, dargestellt. Sie ist zudem auch der Gegenpol zum unvernünftig agierenden Rakesh. Sie weist ihn immer wieder zurecht und scheint, im Gegensatz zum irgendwann etwas abgehobenen bzw. zu gierig erscheinenden Rakesh, auch noch die meiste Moral zu haben. Sie hinterfragt die Handlungen des Duos um allerdings dann auch dem Reiz des Verbotenens zu erliegen. Ein Teil ihrer Persönlichkeit träumt dann doch auch zu sehr von Ruhm und Reichtum und erliegt den Oberflächlichkeiten des Lotterlebens.
Wobei man hier natürlich nicht mit einem Pärchen wie zum Beispiel Mickey und Mallory aus Natural Born Killers erwarten darf. Bunty und Babli ist konforme Familienunterhaltung, die es vor allem mit dem Ende schafft, die gewohnten moralischen Vorstellungen wieder zurecht zu biegen. Bunty und Babli beginnen mit ihren Gaunereien, um sich durch den Alltag zu schlagen, begehen diese aber im weiteren Verlauf der Geschichte bald nur noch aus Gewohnheit und des Spaßes wegen. Auch wenn man hier das Duo als eine Mischung aus der familienfreundlichen Version von Bonny und Clyde und Robin Hood darstellt: es gehört sich einfach nicht, was sie da machen. Auch wenn der Zuschauer voller Freude dem Treiben der beiden zuschaut. Da sie durch Betrug, Lügen und Korruption selbst das schlechte Verhalten der Menschheit kennengelernt haben, rächen sie sich mit ihrem Verhalten an eben dieser Art Mensch und belohnen dabei ihre Helfer, arme aber ehrliche Menschen, mit einem großzügigen Lohn.
Dem gegenüber steht aber Amitabh Bachchan, der mit der überironisierten Version eines verbissenen und harten Cops auf der Suche nach dem Gangsterduo ist. Dabei ist seine Rolle, wohl auch eine Art ironischer Umgang mit seinen Rollen aus den 70ern und 80ern. Glänzt Bachchan doch auch öfters als harter Hund in einigen Actionfilmen. Auch wenn er seine Rolle gut meistert, so ist die Figur doch um einiges zu sehr überspitzt dargestellt. Wenn er kurz vor der Intermission das auf einer Glasscheibe prangende Zeichen von Bunty und Babli, ein Herz mit zwei B darin, mit grimmigen Mienenspiel zerschießt, fühlt sich dies vor allem unpassend an. Man wird nie so richtig warm mit ihm, bis auf die Trinkgelage-Szene in der er mächtig angeseuselt und unwissend, das er mit dem Mann einen trinkt, den er sucht, von seiner verflossenen Liebe erzählt. Da sieht man, das Bachchan neben den für ihn mittlerweile standardisierten Rollen des gütigen alten Mannes auch gerne mal etwas lustig wird.
Gerade die Gesangsnummer die hier eintritt, immerhin ist dies ein Bollywood-Film, wurde wirklich wunderbar umgesetzt in dem eine geheimnisvolle Schönheit um ihn wirbt und er erst sehr widerwillig darauf reagiert. Diese ist für den Bollywood-Fan übrigens keine Unbekannte. Hier taucht Aishwarya Rai auf, ehemalige Miss Indien und mittlerweile ebenfalls sehr groß im Schauspielgeschäft dabei, die zufällig die Schwiegertochter Bachchans ist, da sie seit einiger Zeit mit seinem Sohn Amitabh verheiratet ist. Da ist man aber ohnehin schon vom Glanz der bunten und kitschig-schönen Bollywood-Welt verzaubert. Mit all zu großem Pomp wie die richtigen Blockbuster aus Indien ist er zwar nicht ausgestattet, kann aber auch durch tolle fotografierte Bilder und Szenen bestechen.
Hier bleibt Bunty und Babli schön auf der Erde, denn Hochglanzbilder, wie sie in Hits wie Kabhi Khushi Kabhie Gham... vorkommen, hat er nicht zu bieten. Eine tolle Kameraarbeit allerdings schon, die mit einigen schönen Einstellungen aufwarten kann. Der Film präsentiert uns ein stimmiges ganzes, der uns trotz der für Bollywood-Filme so typischen Überlänge, niemals wirklich langweilen mag. Das knapp an der drei Stunden-Marke kratzende Werk ist dafür viel mitreißend, auch wenn die zweite Hälfte nicht ganz an die Stärken der ersten heranreichen kann. Auch wenn er sich meist als beschwingtes, großes Abenteuer gibt so kann er mit seinem Ende auch noch ein wenig auf die Tränendrüse drücken. Es mag etwas konstruiert und weit hergeholt wirken, doch wer sich Bollywood anschaut, der soll sich hinterher nicht über fehlenden Realismus beschweren.
Die Inder schaffen mit ihren Filmen, auch mit Bunty und Babli, moderne Märchen die einen für einige Stunden aus der Alltagswelt reißen und träumen lassen können. Das mag für viele zu bunt, zu aufgeplustert und vor allem zu kitschig sein. Doch gerade die indischen Filme dieser Machart sind um ein vieles ehrlicher und herzergreifender als die derzeitigen Herzschmerz-Filme aus Hollywood. Noch dazu, dass dieser Film auch noch so einige, unglaublich wunderbare Energie versprüht. Es ist einfach ein leicht goutierbarer Abenteuer- und Romantik-Mix, dessem Charme man sich nicht entreißen kann. Zwei sehr gut aufgelegte und miteinander harmonierende Hauptdarsteller in einer witzig umgesetzten Story, die mit tollen Bildern und mitreißenden Gesangs- und Tanznummern aufwarten kann versprechen beste Unterhaltung.
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