Es mag in manchen meiner Texte anmuten, dass nur die damalige italienische Genrefilm-Schmiede eine muntere Rip Off-Kultur pflegte. Zwar schielte man dort häufig auf die erfolgreiche Rezepturen der Hollywood-Kassenschlager, doch auch Filmemacher anderer Nationen ließen und lassen sich gerne von großen Vorbildern inspirieren und werfen diese munter in eine Schüssel. Ein gutes Beispiel ist dafür Nemesis, Albert Pyuns zweiter Ausflug in die Gefilde stark von Action betonter Science-Fiction nach dem Van Damme-Vehikel Cyborg. Mäanderte der auf Hawaii geborene Amerikaner darin durch seine postapokalyptische Erzählung und ließ seinen belgischen Actionimport die Lethargie des Films selten komplett wuchtig mit Muskel- oder Feuerkraft durchbrechen, feuert in Nemesis seine Inspirationskanone aus allen Rohren.
Seine im L. A. des Jahres 2027 spielende Zukunftsvision beginnt mit einem dystopischen Neo Noir-Szenario, in dem sich nach einem Nuklearschlag während eines Krieges die Welt mühsam mit Hilfe der modernen Technik wieder aufrappelt. Die Symbiose aus Maschine und Mensch schreitet voran, biomechanische und neu gezüchtete Organe verschmelzen mit Fleisch und Blut. Pyun lässt seine Off-Erzählerin von Datendealern und Cyber-Terroristen erzählen, welche zu Beginn von Undercover-Cop Alex Rain - selbst leicht durch technische Hilfsmittel nicht hunderprozentig menschlich - dingfest gemacht werden sollen. Die Mission beginnt gut, bis Alex in einer verfallenen Fabrik von der Terroristen-Gruppe beinahe erschossen wird. Der schwer verwundete Cop wird in einer Not-OP gerettet und rechnet Monate später während seiner Rehabilitation nebenbei mit seinen Fast-Mördern ab.
Doch bevor er Phoenix gleich aus der Asche seiner verfehlten Vergangenheit steigt, sieht der Zuschauer Alex' Abstieg als drogensüchtiger Schmuggler in Neu Rio de Janeiro, begleitet ihn bei einem fehlschlagenden Deal und darf nach einem weiteren rüden Zeitsprung den abermals geretteten Cyber-Marlowe in einem Gefängnis wiederfinden, aus dem er von seinen früheren Brötchengebern nur rausgeholt wird, wenn er eine von den Terroristen gestohlene Diskette mit Sicherheitsmaßnahmen für ein geplantes Treffen von Vertretern der amerikanischen und japanischen Regierung wiederbeschafft. Nach anfänglicher Weigerung knickt Rain ein, immerhin wurde ihm eine Bombe in den Hals implantiert, die in drei Tagen detonieren soll, sollte er nicht den Job erledigen, der ihn nach Indonesien, in die Hände der Cyber-Terroristen und in eine große Verschwörung führt.
Das Drehbuch erweist sich in seinen kreierten Szenarien als sprunghaftes Quasi-Best Of des damaligen Action- und Science-Fiction-Kinos. Die nicht gerade wenigen Versatzstücke werden in aneinander gepappten Story-Abschnitte geworfen, grob umgerührt und ohne Rücksicht auf narrative Verluste vom während seiner Karriere nicht gerade häufig mit Lorbeeren überhäuften Pyun auf ordentlichem B-Movie-Niveau über die Ziellinie gebracht. Einige der in Nemesis dargebrachten Konstrukte, die Präsenz der Offensichtlichkeit der zitierten Einflüsse außen vor gelassen, machen einen für das produktionstechnische Niveau des Films guten Eindruck. Die Noir-Einschübe versuchen dem Protagonisten Ecken und Kanten zu verleihen; seine Rehabilitation und Wiedergeburt präsentiert sich überraschend gut gefilmt und versucht dem Stoff (Pseudo-)Tiefe zu verleihen. Zugunsten der Actionlastigkeit des folgenden Plots lässt man diese leider Fallen und lässt Olivier Gruners Figur zum Prügel-und-Baller-Hero von der Stange werden.
Ansätze einer gewissen Eigenständigkeit lässt man großzügig liegen. Nemesis bedient sich fleißig bei seinen großen Vorbildern und bevor Hollywood kurze Zeit später vollkommen von den Einflüssen des Actionkinos aus Hong Kong geflasht wurde, lässt Pyun seine Figuren beeinflusst vom Heroic Bloodshed auch mal Woo'sches Todesballett tanzen und Shootouts in die rostig-schrottige Eleganz des Gesamtwerks stecken. Über allem thront dabei Ridley Scotts Blade Runner, bei dessen Geschichte sich man großzügig bedient, obwohl Pyun über seinen Film sagt, dass er hier Dinge verarbeitet, die schon lange in ihm schlummerten. Vielleicht war es auch einfach nur die Frage, ob er etwas ähnliches wie Scott, nur mit viel weniger Budget, hinbekommt. Was uns wieder zur Eigenständigkeit des Filmes bringt. Thematisch rennt man ebenfalls dem angesprochenen Science-Fiction-Klassiker hinterher und lässt in unerwarteten Momenten Ideen aufblitzen, die viel zu schade sind, so fahrlässig wie hier wieder fallen gelassen zu werden.
Der Frage, was einen Menschen menschlich macht und was dessen Kern ist, entlockt Nemesis wahrlich keinen neuen Ansatz. Eher treibt er das Spiel mit der Entfernung vom Menschlichen auf die pervertierte Genre-Spitze. Die Vermischung von Technik und Organik, der grob-industrielle Cyber(punk)-Stil des Films lässt die Figuren seines Plots sich von den mechanischen Hilfsmitteln abhängig machen. Die Fragen, wie viel Mensch man noch ist und wie viel Cyborgtechnik in einem steckt, lässt mittlerweile Assoziationen zur heutigen Abhängigkeit unserer Spezies in manchen Bereichen des Alltags gegenüber der Technik aufkommen. Wie weit machen wir uns dieser zum Untertan? Lässt sich der Kern unseres Wesens, die Seele, irgendwann technisch abstrahieren und aufbewahren? Einer der wenigen, aber interessanten Ideen des Scripts nach ja. Es sind solche Momente, die für mich Nemesis nicht unbedingt besonders, aber interessant bleiben lässt.
Die konfuse Gesamtheit schmälert den guten Eindruck dieser seltenen Augen- und Lichtblicke, was
Nemesis ein goutierbares Action-Flickwerk bleiben lässt. Was wäre das für ein Film geworden, der neben dem bloßen Abkupfern der großen Vorbilder aus diesen Gedankenspielen oder den wenigen, aber gleichermaßen interessanten und starken Frauenfiguren mehr herausgeholt hätte? Zugeben muss man, dass hier letztendlich das Testosteron (leider) weiter die Nase vorn hat. Dank der Berührung mit solchen Filmen zu Beginn meines Fanseins, entwickelte sich eine Vorliebe für solche einfach gestrickten, billigen Knaller, die dafür geschaffen wurden, entweder im Videotheken-Regal zu verstauben oder von dort aus das Herz der Genre-Liebhaber zu erobern. Weitaus weniger schlimm wie immer erwartet, hat Nemesis nicht unbedingt mein Herz erobert, aber für interessierte und amüsierte Zurkenntnisnahme gesorgt.
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