Samstag, 25. Mai 2024

Kill Me Again - Töten Sie mich

In John Dahls zweitem Film Red Rock West gibt es eine kleine, vordergründig nichtig erscheinende Szene, in der eine Nebenfigur einen Satz von sich gibt, der hintergründig einiges über die ersten drei Filme des Amerikaners aussagt. Darin lässt Hauptdarsteller Nicolas Cage an einer im weiten Nirgendwo liegenden Tankstelle für die letzten Dollar, die in seiner Brieftasche sind, den Tank seines Autos befüllen. Bezogen auf den sich noch gut in Schuss befindlichen Straßenkreuzer, bemerkt der Tankstellenbesitzer gegenüber Cage "You know, they just don't make them that way anymore!" Betrachtet man Dahls erzählerischen und gestalterischen Ansatz bei seinen ersten drei Filmen, so erscheint uns dieser alte Kerl plötzlich als Sprachrohr des Regisseurs. Leicht wehmütig scheint er damit das zu kommentieren, was er selbst auf die Beine gestellt hat. Völlig darüber bewusst, dass dies einer alten, vergangenen Zeit entstammt und nicht dem cineastischen Zeitgeist entspricht. Bereits mit seinem Debüt Kill Me Again - Töten Sie mich wendet er sich dem Noir-Crime bzw. -Thriller der 40er und 50er Jahre zu und lässt die goldene Zeit gebrochener Helden, zwielichtiger Gestalten und gleichermaßen verführerischer wie gefährlichen Femme Fatales wieder aufleben. Mit dem Plot werden gleich mehrere, gebräuchliche Tropes des Genres vereint.

Der abgebrannte, verschuldete Privatdetektiv Jack Andrews steht mit dem Rücken zur Wand. Seine zwielichtigen Gläubiger möchten endlich ihre Kohle wiedersehen und setzen ihm ein Ultimatum. Glücklicherweise taucht kurz darauf Fay Forrester in seinem Büro auf und bietet ihm eine hohe Summe, wenn er ihr dabei hilft, sie vor ihrem gewalttätigen Ex-Mann Vince zu beschützen. Dabei soll Jack ihren Tod vortäuschen und ihr eine neue Identität verschaffen. Ungläubig und misstrauisch geht er mit Blick auf die stattliche Entlohnung, die ihm winkt, auf den Job ein. Als dieser vermeintlich erfolgreich ausgeführt wurde, muss der Schnüffler feststellen, dass sein Misstrauen gegenüber der attraktiven Fay nicht unbegründet war und muss sich zudem vor gegen seine ungeduldigen Gläubigern, Vince und der Mafia höchstpersönlich behaupten. Eine Classic-Noir-Story, sich zweifellos in der Zeit der ausgehenden 80er abspielend, in der kleine Details mit dieser Epoche bricht. Dahls Cineastik lässt die Zeit aufweichen. Fahrzeuge, diverse Szenenbilder, Kleidungsstil einzelner Figuren und nicht zuletzt Zitate filmischer Vorbilder: gleichermaßen Verweise auf die Epoche und Hochzeit des Genres, welche so stimmig platziert werden, dass das Konstrukt des Films zeitlos erscheint. Die Konzentration auf solcherlei Kleinigkeiten, scheinen den Regisseur so abzulenken, dass es selten gelingt, mit Verve und spannungsreich zu inszenieren. Die Reproduktion von Genre-Merkmalen funktioniert, komplett verinnerlicht hat Dahl dieses hier noch nicht. Dies sollte erst in seinen anderen Neo Noirs folgen. Gleichzeitig krankt Kill Me Again an seinem blassen Hauptdarstellern Val Kilmer und dessen damaliger Frau Joanne Whalley-Kilmer. So sollte man seinen Erstling eher als interessante, aber an sich ausbaufähige Fingerübung verstehen.


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Donnerstag, 23. Mai 2024

Die Knochenfrau

Inwieweit ist es egoistisch, wenn man der Verwirklichung eigener Wünsche nachgeht und den Erwartungen von außen an der eigenen Personen nicht entsprechen will? Inwieweit soll man sich der Familie oder der Gesellschaft unterordnen, nur weile diese an veralteten Traditionen und Rollenbildern festhalten? Muss man sich erst so lange selbst verleugnen, bis man an einen Punkt gelangt, an dem es schwer ist, einen Strich zu ziehen und einen Neuanfang zu wagen? Fragen, die einem nach Betrachtung von Michelle Garza Cerveras Regiedebüt Die Knochenfrau in den Kopf kommen und die Regisseurin innerhalb ihres Films aufgreift. Ihre Protagonistin Valeria scheint zunächst ein zufriedenes Leben zu führen. Alles scheint zu passen, nur eine Kleinigkeit scheint noch zu fehlen um das alles abzurunden: ein Kind. Als nach mehreren Versuchen ein Schwangerschaftstest positiv ausfällt, beginnt für die junge Frau ein neuer Abschnitt in ihrem Leben und damit ein Umbruch. Die geliebte Schreinerei-Werkstatt in der Wohnung muss in ein Kinderzimmer umgebaut werden, körperliche Nähe wird durch ihren Partner Raúl verweigert, um angeblich dem Ungeborenen nicht zu schaden und die Familie weiß natürlich am Besten, wie sie sich nun zu verhalten hat. Valeria wird zunehmend fremdbestimmt. Damit nicht genug, wird sie von einer knochigen Gestalt heimgesucht, die zur Gefahr für Sie und das Kind wird.

Das die junge Frau mal ganz anders war, wie man sie zunächst kennenlernt, erzählen Rückblenden. Früher war sie in der alternativen und queeren Szene unterwegs, träumte mit der damaligen Freundin Octavia vom Ausbruch aus der einschränkenden Heimat. Doch die wilde, junge Frau entscheidet sich dagegen, will den Erwartungen ihrer Familie gerecht werden; die beiden verlieren sich aus den Augen. Durch Zufall treffen sich die beiden wieder, was Valeria an die damalige Zeit und ihre Wünsche und Träume erinnert. Ihr wird bewusst, dass das in ihr heranwachsende Kind nicht das ist, was sie sich wünscht. Sie sucht sich Hilfe bei einer Tante, die über altes Wissen verfügt, um mit archaischen Ritualen das Baby loszuwerden. An diesem Punkt ist Die Knochenfrau, die Huesera, längst zu einem Drama geworden. Der Horror spielt eine untergeordnete Rolle. Mehr schreit uns Cevera in leisen Tönen ihren Unmut über das Bild der Frau und dem von queeren Menschen in Mittelamerika hinaus. Wenn überhaupt, gehen Veränderungen langsam von statten. Alte Geschlechterrollen bleiben bestehen. Der Ausweg ist beschwerlich oder wie im dargestellten Leidensweg Valerias kaum möglich. Das Cevera in ihrer Sprache recht direkt ist, wenige Interpretationen bietet, zeugt mit Blick auf ihr Herkunftsland von Mut. Mit Blick auf den finalen Twist eine schwierige, weil offensichtlich, Entscheidung. Die Titelgebende Schreckgestalt entpuppt sich als Sinnbild. Dieses kann wiederum ist in seiner Darstellung, die zwischen Folk und Body Horror liegt, noch für genügend Schauer beim Publikum sorgen. Nicht zuletzt, da die Auflösung das ganze Ausmaß der Verzweiflung Valerias offenlegt. Die hier von Die Knochenfrau zur Schau getragenen Simplizität kommt Ceveras Absicht zu Gute. Der Film bleibt damit für das Publikum jederzeit zugänglich, die Wirkung der Geschichte gestärkt. Die Mexikanerin bietet mit ihrem Erstling ein beeindruckend selbstsicheres und sensibles Horrordrama über leider immer noch nicht überall so selbstverständliche, weibliche Eigenbestimmung.

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Mittwoch, 22. Mai 2024

Don't Scream... Die - Spur in den Tod

Einige Filme können einem ob ihres Schicksals im deutschen Heimkino-Bereich einfach leid tun. In die Fänge eines Grabbeltisch-Verleihers geraten, erhielt Rolfe Kanefskys There's Nothing Out There vermutlich mittels Baukasten den nichtssagenden Titel Don't Scream... Die - Spur in den Tod verpasst und durfte, angeboten für wenige Euro, über Jahre in den Wühltischen der Elektrofachmärke verschimmeln. Schaut man in sein Entstehungsland, so wurde das sich zu Zeiten der DVD im Vertrieb von Troma befindliche Werk vor wenigen Jahren sogar in 2K abgetastet und von Vinegar Syndrome auf einer üppig ausgestatteten Blu Ray veröffentlicht. Über die Jahre konnte er sich eine kleine Fanbasis aufbauen und nicht selten wird er von seinen Anhängern als Blaupause für die Meta-Spielereien in Wes Cravens Scream - Schrei! gefeiert, was zunächst faktisch nicht komplett abzustreiten ist. Der 1991 vom zu dieser Zeit gerade einmal 19-jährigen Regisseur und Autoren Rolfe Kanefsky umgesetzte Streifen versucht gleichzeitig Persiflage und Meta-Trash-Movie zu sein. Denkbar simpel und bekannt ist dabei das Grundgerüst der Story. Ein Gruppe junger Leute fährt während der Ferienzeit in das einsam gelegene Ferienhaus eines Onkels und achtet, von der Feierlaune vernebelt, nicht auf die Anzeichen der drohenden Gefahr in Gestalt eines froschähnlichen Monsters. 

Wäre da nicht Mike, seines Zeichens eingefleischter Horror-Connoisseur, der Aufgrund seiner Genre-Kenntnis hinter jeder Kleinigkeit eine Gefahr lauern sieht und seinen Freunden damit auf die Nerven geht. Gebetsmühlenartig versucht der arme Tropf dies der Truppe mittels der eisernen Horror-Gesetze zu verdeutlichen. Ernst nimmt ihn niemand und so müssen die meisten der Figuren auf die harte Tour lernen, dass der Filmfan recht behalten soll. Glücklicherweise erzählt uns Kanefsky seine Geschichte dabei weit weniger anstrengend, wie er seinen Helden zeichnet. Da dessen Darsteller sein Spiel eine Spur zu hysterisch und übertrieben anlegt, fällt es oft schwer, diesen als Hauptfigur zu akzeptieren. Das Spiel mit der Meta-Ebene entschädigt, kommt aber weitaus spät zu tragen und liefert einige gelungene Gags. Kenntnisreich führt der Regisseur uns vor Augen, dass er sich - wie Mike - ebenfalls mit den Genre-Konventionen auskennt, ruht sich aber gerade zu Beginn stark auf dem mit Klischees angereicherten Aufbau aus. Da kippt Don't Scream... Die mehr in die Richtung der puren Persiflage und entlarvt, dass das Spiel mit der Meta-Ebene weniger clever ist, wie man Glauben machen möchte. Da hat es der weitaus erfahrenere Craven mit seiner Einleitung der Slasher-Renaissance besser verstanden, mit den Regeln des Horrorfilms zu spielen und diese gekonnt zu überspitzen. Seinen Charme und Sympathien bezieht Don't Scream... Die mehr aus seinem merklich intendierten Trash-Ansatz und das man sich nicht allzu ernst nimmt; gerade mit Blick auf die Einbeziehung der Meta-Ebene, bei dem man gewahr wird, dass ein Genre-Fan am Werk war, welches aber durchaus Potenzial mit sich bringt. Mit seinem Debüt feiert Kanefsky eine launige Horrorparty und merzt die Schwächen seines Films vor allem damit aus, dass er ebenso spürbar eine mehr als gute Zeit beim Dreh hatte. 
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Freitag, 17. Mai 2024

Thanksgiving

Seine merkliche Liebe zum Genrefilm und die glühende Leidenschaft dafür möchte man Eli Roth nicht absprechen. Für seine Berufung als Filmschaffender ist das idealer Antrieb und Inspiration. Nur ist die beim Amerikaner ebenso spürbar nie vollständig vollzogene Separierung aus Fan sein und professionellem Filmemacher dessen große Schwäche. Häufig fühlen sich seine Werke wie großzügig budgetierte Fanfilme an, die von jemandem mit großen theoretischen Wissen gedreht werden, dem es im praktischen Bereich deutlich an Feinschliff fehlt. Roths Kino der Zitate zeugt meist mehr von seinem Wissen über die Genres, weniger von seinem Können als Regisseur. Auch sein aktueller Holiday-Slasher Thanksgiving steht in dieser Tradition. Der nach Machete und Hobo With A Shotgun dritte Film, der es aus dem Faketrailer-Zwischenspiel des Grindhouse-Double Features von Tarantinos Death Proof und Rodriguez Planet Terror heraus zum Langfilm geschafft hat, ist mit Anspielungen gespickt, die von recht profanen Versatzstücken des Subgenres zusammengehalten werden. Allein der Beginn, der die sich während der Öffnung eines Kaufhauses in der Kleinstadt Plymouth, Massachusetts am Black Friday ereignende Tragödie, welche gleichzeitig Aufhänger für den später durch den Film wütenden Killer ist, erinnert frappant an die Einstiegssequenz des Weihnachtshorrorfilms Krampus.

Ein Jahr nach der Katastrophe sind die Opfer nicht vergessen, dennoch heißt es für Ladenbesitzer Thomas Wright business as usual. Proteste, die dafür skandieren, dass sein Laden über die Zeit der Feiertage geschlossen bleiben soll, bleiben ungehört. Daraufhin beginnt ein als Pilgervater John Carver maskierter Mörder, die am Unglück Schuldigen - darunter rücksichtslose Sparwütige, Verkaufspersonal und die Clique von Wrights Tochter - mit allerlei Mordwerkzeug nachzustellen und umzubringen. In jenen Momenten, in denen Roth eine ungezügelte Blutrünstigkeit zur Schau tragen darf, funktioniert Thanksgiving am Besten. Fernab von diesen scheint Roth in ein Korsett gezwungen zu sein, welches verlangt, dass eben irgendeine Story erzählt werden muss, bevor man zur wahren Daseinsberechtigung des Films gelangt. Auch dieser Streifen wirkt größtenteils, als würde uns Roth viel lieber die ganze Zeit zeigen wollen, was er alles kennt und schätzt, um es dann in sein "eigenes" Werk zu packen. Durch die vielen Anspielungen und Referenzen, bei denen Roth auch Vertreter des Subgenres aus der letzten Reihe, wie beispielsweise Todesparty II, mit einbezieht, fehlt es wie vielen Filmen von Roth auch Thanksgiving an einer persönlichen Note. Es reicht eben nicht, nur die anderen Nerds zum Applaudieren zu bringen, weil diese fast alles, worauf man referenziert, erkennen. Roth fehlt es leider weiter an Gespür für Spannung und erzählerischem Können zwischen den gorigen Moneyshots. Weiter trübt der hässliche digitale Look des Films den Gesamteindruck, welcher leider nie groß Atmosphäre aufkommen lässt. Routiniert, aber weit weg von Raffinesse, gewinnt abermals der Fanboy in Roth und bettet die wenigen, guten Momente in einen Reich an Zitaten und mit diesen überbevölkerten Durchschnitts-Slasher. Mit etwas mehr eigenen Ideen könnte Roth vielleicht doch mal - irgendwann - einen komplett brauchbaren Film schaffen.
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Dienstag, 14. Mai 2024

November

In was für einer traurig grauen Welt leben all' jene Menschen, die fernab jeglicher Fantasie existieren und Märchen als Kinderkram abtun? Gefangen im urbanen, technisierten und automatisierten Alltag, rationell denkend, scheint dieser Art Leben wie Scheuklappen zu funktionieren, die den Blick von allem, was von der eng gesteckten Lebensnorm abweicht, abschirmt. Die Zerstreuung und Unterhaltung unterliegt gleichbleibender Muster, ist ebenso genormt wie abhängig von Algorithmen, die gemäß ihrer Syntax aus dem Verhalten der Nutzer lernen und ewig gleiches vorsetzen. Wer es schafft, über die Ränder und vorgerechnete, lieblos zusammengesetzt Unterhaltung hinweg zu schauen, der entdeckt jene magische Welten, wie sie Rainer Sarnet mit November erschuf. Wer gänzlich unvorbereitet in diesen faszinierenden, aus Versatzstücken estnischer Folklore erschaffenen Kosmos steigt, könnte sich hin und wieder darin verloren vorkommen. Für die Figuren dieser Erzählung mögen das vom Publikum erlebte Übernatürliche, die Absurditäten und Fantastereien völlig normal erscheinen. Kratt genannte, aus Werkzeugen zusammengebaute, lebendige Wesen die ständig eine Arbeit brauchen, Tote die einmal im Jahr zu ihren Familien zurückkehren, die Pest in Gestalt einer Ziege, welche sich mit einer über den Kopf gestülpten Unterhose austricksen lässt. Man stolpert einfach so in dieses Universum hinein und wandelt mit Fragen im Kopf durch dieses Erwachsenenmärchen, das nichts erklärt und damit vieles richtig macht aber auch überfordern kann.

Einen roten Faden in der Geschichte gibt es schon, der von Liina und ihrer unerfüllten Liebe zu Hans, der hingegen Luise, die Tochter eines deutschen Barons, begehrt, welche er nach einer Messe kennenlernt. Damit der Angebetete sein Herz an sie verlieren soll, sucht Liina den Rat der Dorfhexe, die ihr die Tötung Luises empfiehlt. Hans wiederum versucht mit Hilfe des Teufels selbst, der somnambulen Luise nahe zu kommen. Doch ist sie für Sarnet mehr ein konventioneller Zugang für das Publikum seines sich zwischen Drama, Märchen und Folk Horror bewegenden Werks. Irgendeine Geschichte, die zur Orientierung dient, benötigen internationale Kinobesucher oder im Heinkino befindliche Cinephile dann schon. Den wenigsten dürfte die estnische Folklore vertraut sein, dass man sich problemlos durch die auf Andrus Kivirähks Roman "Der Scheunenvogel" basierende Geschichte bewegen kann. Einziger Knackpunkt ist, dass darin so viel los ist und passiert, dass die grundlegende Erzählung aus der Augen verloren und zum Beiwerk wird. Dafür bezaubert November mit seiner Widersprüchlichkeit zwischen geerdetem, naturalistischem Look und traumhaft surrealen Momenten. Man bedient sich bei Motiven der schwarzen Romantik, altertümlichen Mythen, packt derben Humor dazu und bettet alles in eine großartig umgesetzte Schwarzweiß-Fotografie. Das nicht jeder etwas mit so einem wilden wie poetischen Film-Ritt kann, liegt auf der Hand. Um Konventionen ist Sarnet nicht bemüht. Lieber will er uns und alle an dieser märchenhaften Filmwelt interessierten Menschen dazu einladen, sich für gut zwei Stunden von der strukturierten, berechenbaren Realität zu verabschieden. Wer ein Faible für solcherlei einzigartige Filmerlebnisse hat, soll jegliche Skepsis oder Scheu ablegen. Denn: zu träumen wecke sich, wer kann! 

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Dienstag, 7. Mai 2024

Castle Freak

Gordon. Crampton. Combs. Namen, welche in dieser Kombination den Horror-Buffs häufig ein mehr als wohlwollendes Lächeln oder Kopfnicken entlocken. Mit den sehr freien Lovecraft-Adaptionen Re-Animator und From Beyond splatterte sich das Trio in den 80ern in viele Fan-Herzen. Mitte der 90er erinnerte sich Charles Band, der damals mit seinem Studio Empire den Vertrieb beider Filme übernahm, wieder an diese Kombination, heuerte alle für sein neuestes Projekt an und schickte sie getreu dem Motto "Aller guten Dinge sind drei" in sein in Umbrien gelegenes Schloss um dort die Magie noch einmal aufleben zu lassen. Für Castle Freak bediente man sich ebenfalls wieder am Œuvre von Lovecraft und bearbeitete dessen Kurzgeschichte "Der Außenseiter" noch freier, als es bei den beiden Funsplatter-Hits geschah. Der im Text namenlose Protagonist hört im fertigen Film auf den Namen Giorgio, welcher über Jahrzehnte von seiner Mutter im Keller eines italienischen Schlosses gefangen gehalten wurde. Als der Amerikaner John Reilly mit seiner Frau Susan und der blinden Tochter Rebecca auftaucht, um sich den frisch von einer bis dato unbekannten Tante geerbten Besitz anzuschauen, kann sich Giorgio aus seiner Gefangenschaft befreien. Fortan wandelt und lauert dieser in den dunklen Plätzen des alten Gemäuers. Zunächst nimmt nur Rebecca Notiz davon, dass noch jemand außer ihrer durch einen Schicksalsschlag zerrütteten Familie anwesend sein muss. Glauben schenkt man ihr zunächst nicht, bis sich die seltsamen Ereignisse häufen und die angespannte Stimmung zwischen John und Susan eskaliert.

Warum Castle Freak im Vergleich zu den beiden anderen Lovecraft-Vehikeln von Gordon nie die große Liebe vom Fandom erhielt, springt einem sofort ins Auge. Im Gegensatz zu diesen ist er keine zügellose, bunte, mit makabren Scherzen durchzogene Gore-Achterbahnfahrt sondern das komplette Gegenteil. Düster, stockernst und manches Mal leider auch stocksteif, nimmt man den Film als fast schon biedere Angelegenheit wahr. Dabei gestaltet Gordon wie auch Drehbuchautor Dennis Paoli die Geschichte mehr als gotisches Schauerstück, dass sich gleichermaßen dem DTV-Horror-Zeitgeist der 90er verschreibt und das für den amerikanischen Horrorfilm beliebte Motiv der dysfunktionalen Familie, die zusätzlich mit einer Bedrohung von Außen kämpfen muss, nutzt. Bevor diese in Form des titelgebenden Monstrums über den Reillys hereinbricht, nimmt sich die Geschichte viel Zeit für die innerfamiliäre Tragödie. Das in dieser wohnende Ungeheuer - namentlich Verlust genannt - kann man gleichzeitig als zentrales Thema des Films ausmachen. Jeder hat für sich etwas teures verloren. Die Reillys bei einem von John verursachten Unfall,  bei dem Rebecca ihr Augenlicht verlor, den Sohn, Giorgios Mutter den sie betrügenden Mann und Giorgio wurde deswegen wiederum um ein normales Leben gebracht. Der vom Theater stammende Gordon geht die Gestaltung der aus bekannten Motiven konstruierte Geschichte ernsthaft an, kann darin vorkommende Längen durch den langsamen, bedachten und teils theatralischen Aufbau schlecht kaschieren. Auf der anderen Seite kann Castle Freak durch eine für Full Moon-Verhältnisse sehr schwermütige Stimmung und der famosen Maske und Darstellung Giorgios gefallen. So monströs bösartig, wie uns die Vermarktung des Films glauben lassen möchte, ist dieser nicht. Auch er ist tragisches Opfer, unbeholfen, welches in der für ihn unbekannten Welt ein Außenseiter ist, sich darin schwerlich zurecht findet und an der Gewalt, welche man ihm über Jahrzehnte angetan hat, in der Interaktion mit den nun im Schloss befindlichen Menschen, orientiert. Die Tragik seiner Geschichte erinnert entfernt an das Monster in Mary Shelleys "Frankenstein". Letztendlich stellt der Film, wenn auch wenig feinfühlig, fest, dass jener Verlust und daraus resultierendes Schicksal das eigentliche Monster ist. Um dem Publikum einige Schauwerte zu bieten, dürfen Sex und einige blutige Momente nicht fehlen, die Castle Freak einen kruden, aber nicht unbedingt üblen Gesamteindruck schenken. Um als um Ernsthaftigkeit bemühter, erwachsener Horrorfilm zu punkten, ist er leider doch eine Spur zu seicht, bietet allerdings eine durchaus ansprechende Präsentation und zudem ein so nicht zu erwartendes Ende. 


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Donnerstag, 2. Mai 2024

Schön bis in den Tod

Die Oberfläche von Schön bis in den Tod ist so glatt, so konturlos, dass jeder im Film aus den Körpern der Darstellerinnen und Darsteller hervorquellende Tropfen Blut an ihr geschwind herabgleitet. Die Schönheit der Jugend strahlt im Hochglanz und will sein Publikum anscheinend deswegen damit blenden, um dieses vom hohlen und flachen Plot des Films abzulenken. Der Vorspann erzählt uns, dass er auf dem Originalskript von Mark Rosmans The House on Sorority Row (hier besprochen) bzw. Seven Sisters, so der in den Credits genannte Alternativtitel des 1983 entstandenen Vorbilds, basiert. Gemeinsamkeiten sind tatsächlich wenig auszumachen. Die Schwesternschaft einer Stundenverbindung findet sich ebenso wieder wie deren Versuch, die aus einem schief gegangenen, makabren Streich resultierende Leiche - diesmal von einer Kommilitonin - zu beseitigen. Um ihre Zukunft nicht mit sowas unschönem wie einem unglücklichen Unfall zu verbauen, beschließt man, die Tote im Brunnen einer verlassenen Mine zu entsorgen und das gemeinsame Geheimnis zu bewahren. Wohlgemerkt unter dem Protest der Vernünftigsten des Freundeskreis. Acht Monate später, nach überstandenem Abschluss, werden die jungen Frauen von der mörderischen Vergangenheit eingeholt. Sie erhalten allesamt eine MMS mit dem Bild der Mordwaffe aus jener Tatnacht und werden fortan von einer vermummten Gestalt gejagt und äußerst brutal aus dem Leben gerissen.

Während das Original wie die Inspiration für Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast wirkt, so ist das Remake mehr ein mäßiger Abklatsch von diesem, der seinen Ursprungsfilm aus den frühen 80ern lediglich dazu benutzt, sein Abkupfern beim 1997 entstandenen Kinohit zu rechtfertigen. Schlecht sieht das ganze nicht aus, nur Eigenständigkeit wird vollends vermisst. Die junge Zielgruppe und Horrorfans werden mit - dem Subgenre gerecht - nackter Haut und Gore bei Stange gehalten, während eindimensionale Figuren in einem auch sonst nach Genrekonventionen funktionierenden Plot über bestehende Logiklöcher stolpern. Der Film orientiert sich deutlich an dem, was nach dem Erfolg von Wes Cravens Meta-Schlitzer Scream - Schrei! in die Kinos gespült worden ist. Handwerklich routiniert, aber so aalglatt und auf dem Reißbrett für die Masse konzipiert, dass Schön bis in den Tod zu einem schnell verblassenden Abziehbild seiner Vorbilder wird. Zwar bietet der Slasher im Gesamten leidlich unterhaltsamen Mainstream-Horror, aber ist auch so schnell vergessen und vergänglich wie die Schönheit, die zumindest dem deutschen Titel des Films nach bis über die Vergänglichkeit hinaus andauert. 

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