Sonntag, 6. Mai 2018

Die Fliege (1986)

Innerhalb der Filmwelt gibt es drei Regisseure mit dem Vornamen David, die es mir wirklich angetan haben. Zum einen wäre da Herr Fincher, den ich mit seinen neueren Werken leider etwas aus den Augen verloren habe. Danach kommt David Lynch, bei dem ich zwar leider auch noch nicht die ganze Filmographie durch habe, dessen verquerte, surreal angehauchten Meisterwerke aber schon früh in meiner filmischen Sozialisation mein Herz trafen. Noch tiefer trafen mich die Filme von "meinem" David Cronenberg; leider teilt er sich derzeit das Schicksal mit David Fincher: Cronenbergs neuere Filme wollen alle erst noch entdeckt werden. Begonnen hat die Liebe zu seinen Filmen, von denen mein liebster (bisher) immer noch Videodrome ist, gleich mit dem ersten, den ich vom Kanadier sah: seinem Remake vom 50er-Science-Fiction-Horrorfilm Die Fliege, welchen ich damals einige Zeit zuvor auch schon sah.

Was hat mich die Geschichte um den Wissenschaftler Seth Brundle, dem es gelungen ist, Maschinen zur funktionierenden Teleportation zu fertigen, damals weggeblasen. Grund dafür waren die heute noch vorzüglich funktionierenden Effekte, die dokumentieren, wie sich Brundle nach einem Eigenversuch nach und nach zu etwas schrecklichem verwandelt. Gelang ihm zuvor immer nur die Teleportation lebloser Dinge, bringt er seine Forschungen so weit, dass er nach einem unschönen Versuch an einem Pavian endlich auch fleischliches mit seiner Apparatur transportieren kann. Dokumentiert wird dies von der energischen Journalistin Veronica, die für ein Wissenschaftsmagazin eine Story über den menschenscheuen Brundle und seine Arbeit schreiben soll. Der davon nicht begeisterte Forscher überredet Veronica, dass sie Exklusivrechte an einem Buch über seine Arbeit bekommt und seine Fortschritte dokumentiert und auf Video festhält, wenn sie noch nichts über seine Entdeckung schreibt. Sie kommen sich näher und eine kleine Krise führt dazu, dass der aufgewühlte Brundle bei seinem Selbstversuch nicht aufpasst: eine Fliege verirrt sich in seine Teleportationskabine, was dazu führt das der Computer seine und die Gene des Insekts zu einem wieder zusammensetzt. Infolgedessen verwandelt sich Brundle, der seine Wesensveränderung zuerst auf eine reinigende Kraft des Prozesses schiebt, in ein Wesen aus Mensch und Fliege.

Was Cronenberg aus der charmanten, aber leicht naiven Vorlage macht, ist kein typischer Horrorfilm, kein zu erwartendes Creature Feature mit gehöriger Monster Mayhem sondern eine für den Regisseur charakteristisch kühle Studie eines isolierten und entfremdeten Menschen. Das ist Brundle zu Beginn, in den Cronenberg die Zuschauer, ohne die Story vorher großartig aufzubauen, hinein wirft und mit den Eigenheiten seiner Protagonisten konfrontiert. Jeff Goldblum, der hier wirklich sehr gut spielt, ist ein Wissenschaftler, der ganz für seine Arbeit lebt, keinen Kontakt zu Menschen pflegt und seine komplette Energie seiner Arbeit widmet. Er ist schrullig; kein ganzer Mann, aber ein ganzer Nerd, in dessen menschlicher Hülle ein sozialer Außerirdischer steckt. Erst die Liaison mit Veronica vollführt eine Wandlung hin zum normalen Menschen. Seth wirkt lockerer, weniger steif, sein Kleidungsstil nähert sich dem damaligen Zeitgeist an, Veronica führt ihn im Kosmos des Films in die Allgemeinheit an. Cronenberg lässt seinen Hauptcharakter nur kurz dort verweilen und drängt in sein Metier, den Body Horror. Brundles schleichende, körperliche Veränderung ist 2018 noch so beeindruckend wie eklig zugleich. Bei der allerersten Sichtung bescherte mir die grandiose Effektarbeit tatsächlich ein flaues Gefühl im Magen, obwohl ich ansonsten nicht sehr zimperlich bin.

Cronenbergs Die Fliege ist ein interpretationsreicher, intelligenter Horrorfilm. Einerseits kann man ihn als pervertiertes Beziehungsdrama sehen, die die Wandlung des schüchternen, sympathischen Mannes in ein (wortwörtliches, körperlich manifestiertes) Ekel zeigt und die Rolle des Ex-Freundes von Veronica, der dritten näher beleuchteten Figur, einnimmt. Brundles Probleme und Konfrontation mit zwischenmenschlichen Beziehungen lassen ihn (und noch einmal: wortwörtlich) zum Tier werden; die durch die Verschmelzung mit der Fliege erlangten Fähigkeiten werden zum eigenen Vorteil (aus)genutzt. Weiters kann man die Transformation Jeff Goldblums auch als Metapher auf Krankheiten sehen. Durch seine Entstehungszeit kommt einem natürlich sofort die damalige Angst vor dem aufkommenden AIDS-Virus in den Sinn. Letztendlich entdeckt man in Die Fliege auch Bezüge auf die sich damals auf ihrem Höhepunkt befindliche New Age-Bewegung, wenn der am Anfang seiner körperlichen Verwandlung stehende Wissenschaftler sich durch die Teleportation gereinigt, mit neuer Energie und Kraft ausgestattet, fühlt. Seine Überredungsversuche, dass auch Veronica diesen Schritt gehen soll, scheitern.

Neben Seths körperlicher Veränderung ist auch sein Wesen betroffen. Die eintreffende Erleuchtung, dass Teleportation den Menschen uns sein Dasein auf eine neue Stufe bringt, erweist sich als Trugschluss. Die gefühlte Neugeburt des eigenen Seins - hier beachte man die auffällige Ei-Form der Teleporter-Kabinen - ist mehr der Übergang in eine neue körperliche Form. Cronenberg lässt den menschlichen Körper wieder leiden, erschafft ihn neu, kehrt inneres nach außen und lässt Mensch, Tier und sogar Maschine miteinander verschmelzen. Letzteres könnte sogar ein Kommentar auf die Gefahren der neuen Technik sein, auf die sich der Mensch immer weiter verlässt. Ein Motiv, dass sich in vielen Werken des Kanadiers wiederfindet und sie im Gros der üblichen Horrorfilme der damaligen Zeit herausstechen lässt. Einzig das Ende biedert mit diesen an, wenn Cronenberg deren Formeln heranzieht um dem Publikum neben all den Schocks und Ekelbildern einen für dieses bekannten Weg beschreitet, um die Eindrücke goutierbarer erscheinen zu lassen. Cronenberg gelingt das Kunststück, einer Mainstream-Produktion seine ganz eigene Handschrift aufzudrücken und aus Die Fliege neben Hellraiser zu einem der besten Horrorfilme der 80er zu machen. Erscheinen die Filme eigentlich so unterschiedlich, sind sie im Grunde genommen explizite Beziehungsdramen die den menschlichen Körper und dessen Leidens- und Deformationsfähigkeiten gleichzeitig meisterlich verstörend und faszinierend darstellen.

Share: