Die Pubertät hat längst von Protagonistin Rosaleen und ihrem Körper Besitz ergriffen. In einem unruhigen Fiebertraum erfährt sie als Red Riding Hood in einer mittelalterlichen Fantasiewelt am eigenen Leib die verführerischen Künste eines Wolfes, der nicht im Schafspelz, dafür in der Haut eines adretten wie attraktiven Jägers daherkommt. Die Warnungen ihrer Großmutter, von dieser in Geschichten gepackt, sind in diesem Moment längst in Vergessenheit geraten. Sie erliegt dem Reiz des verschlagenen Wolfes, scheint an ihn verloren, obwohl davor durch die von Angela Lansbury gemimte Oma Rosaleens in aller Deutlichkeit die moralische Keule geschwungen wird. Dabei entfernt sich Die Zeit der Wölfe an diesem Punkt einzig von einer eindeutigen, unmissverständlichen Schwarz-Weiß-Zeichnung und dem belehrenden Charakter der Volksmärchen. Die Widersprüchlichkeiten des Erwachsenwerdens, Rosaleens Coming of Age, verpackt der Film in eine wunderschön düstere Geschichte, die von kleineren Erzählungen aufgebrochen wird, bevor der rote Faden wieder in die Hand genommen wird. Manchmal lässt dies den erzählerischen Fluss brechen; das großartige Production Design lässt locker darüber hinwegsehen und begeistert mit einer wortwörtlich traumhaften Welt, durch die man gerne wandelt und von seiner proppenvollen Symbolik erschlagen lässt.
Die Zeit der Wölfe bezaubert - wieder wortwörtlich - ebenso durch seine progressive, feministische Haltung. Carter und Jordan nutzen die Symbolik des zu Grunde liegenden Märchens, lassen den Wolf zum Sinnbild für den Mann werden, ohne ihn zur Gänze abzulehnen. Mehr nutzt man die Syntax der Erzählungsform, um die vom männlichen Geschlecht ausgehenden Gefahren darzustellen und schildert in der Geschichte von jenem Erwachsen werden seiner Hauptfigur. Sexuelles erwachen und auch die Loslösung von den Eltern, das stehen auf eigenen Füßen; auch wenn dies ein großer Bruch bedeutet indem man dem inneren Tier den Vortritt lässt. Wenn die Wölfe in ihrer ungezügelten Wildheit in den Wald stürmen, darunter auch die verwandelte Rosaleen, dann ist dieses Ende weit weniger negativ, wie eventuell zuerst empfunden. Es ist mehr eine positive Haltung zu dem, was in einem auch in den Jahren des Heranwachsens schlummert und zu dem man stehen sollte. Das macht den Film zu einem wunderbar vielschichtigen Werk, ein folkloristisches Horror-Märchen, beseelt vom Geist des klassischen und Gothic-Horrorfilms, zu dem man immer wieder gerne zurückkehrt, weil er auch so viel bietet, worüber man sinnieren kann.
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