Wie viele Kellen Retro vertragen wir noch, ehe wir im nostalgisch rückwärts gerichteten Blick aktuelle, zeitgenössische Werke komplett übersehen oder dieser überdrüssig sind? Egal ob neue, im pixeligen 8- oder 16 Bit-Stil gehaltene (Indie-)Games, Bands die sich in verschiedenen Genres deren Wurzeln oder zeitliche Strömungen annehmen oder seit der Netflix-Hitserie Stranger Things die wieder schwer angesagten 80er im Film: selbst ich Retro-Afficionado musste mich ertappen, wie ich beim derzeitig gefühlt x-ten Boom der 80er anfing, leicht angestrengt zu schnaufen. Ich mag Stranger Things u. a. wegen der Detailverliebtheit im Bestreben, die 80er so authentisch wie möglich darzustellen und auch hemmungslos dieses Jahrzehnt und dessen Genrefilme huldigende Meta-Genre-Knaller wie Turbo Kid. Aber irgendwann dürfte man doch übersättigt sein oder ist doch noch etwas Platz im enger werdendencVerdauungsapparat der Freaks? Meinen Einstieg in den diesjährigen Horrorctober könnte man vorschnell als weiteren, beliebigen Beitrag zur Retro- bzw. 80er-Welle abtun.
The Barn fühlt sich dazu verpflichtet, dem Direct-To-Video-Horrorkrempel, den Videothekenlückenfüllern und den größeren und kleineren Perlen aus diesem manchmal unüberschaubar scheinenden Gestrüpp aus dem man häufig einfach mäßige Vertreter des Genres zog, zu huldigen. Justin M. Seaman, Autor, Produzent und Regisseur in Personalunion, scheint sich in seinem Leben viel davon angesehen und diese genaustens studiert zu haben. Die Geschichte seines u. a. via Indiegogo-Kampagne finanzierten Films hat man selbst während der Blütezeit des abgegriffenen Videohorrors schon x-fach gesehen. Nach einem kleinen Intro, das uns wieder einmal lehrt, dass Minderjährige im Horrorfilm grundsätzlich Probleme haben, ihnen auferlegte Regeln zu befolgen, lernen wir die Freunde Josh und Sam kennen, welche 1989 während der Halloween-Zeit mit einem selbst zusammengezimmerten Schauer-Kabinett versuchen, über die Runden zu kommen. Nach Disputen des nahezu von Halloween besessenen Sams mit seinem Vater und der örtlichen Lehrerin, wollen die Kumpels mit Sams heimlichen Schwarm Michelle und einigen weiteren Freunden nochmal richtig die Sau raus lassen und hinterher das Konzert einer angesagten Metal-Band besuchen. Während einer Rast entfachen die Teens in einer schon aus dem Intro bekannten Scheune das Böse in Gestalt dreier fürchterlicher Dämonen.
Den Rest kann man sich denken: die Dämonen - eine Vogelscheuche, eine Art Zombie-Bergarbeiter und ein wandelnder Jack O'Lantern - räumen ordentlich unter den Jugendlichen und im nahegelegenen Ort auf, bevor die beiden Hauptfiguren zum finalen Gegenschlag ausholen und sich einzeln dem bösartigen Trio stellen. Regisseur Seaman verbeugt sich in seinem Herzensprojekt in Dauerschleife vor seinen geliebten 80er-DTV-Hits und versucht so gut wie es die zur Verfügung stehenden Mittel hergaben, seinen Film wirken zu lassen, als würde er aus der persiflierten Zeit stammen. Das Indie-Projekt schlägt sich im Vergleich mit ähnlichen kleineren Produktionen beachtlich. In wenigen Momenten kann das digital nachbearbeitete Bild nicht verbergen, dass es sich um eine neuere Produktion handelt, Seaman und sein Team schaffen es aber, mit ihrem limitierten Budget das selbe "Billigheimer"-Feeling der alten DTV-B-Horrorfilme zu erschaffen und die für das Level des Films höchstmögliche Authentizität zu erschaffen. Die Kleidung der Darsteller fand man z. B. überwiegend in Second Hand-Läden.
Dazu gesellen sich matschige, handgemachte Effekte, die - wie früher und zugegeben auch heute noch - mal mehr, mal weniger gut gelungen sind und The Barn einen netten DIY-Charakter schenken. Sehen lassen können sich neben den Masken der drei dämonischen Fieslinge auch das flott runtergerotzte Masskaer in der Stadthalle. Es ist ein gutes Beispiel, mit welchem Tempo man durch die Story pflügt. Einzig auf der Tonspur passiert zu viel: für die Zeit unverkennbare Synthie-Sounds wechseln sich fast pausenlos mit aus dem Jahrzehnt stammenden oder undergroundigen, sich dem Retrosound verschriebenen Rock- bzw. Metalsongs ab. Ein Overkill auf der Tonspur, der trotz der guten Songauswahl bzw. Kompositionen enervierend gerät. Bei allen positiven Aufzählungen soll nicht verborgen bleiben, dass Seamans Absicht, einen neuen alten 80er-B-Horrorflick zu schaffen, funktioniert, aber die Hommage zuweilen zur Kopierpaste mutiert. Er setzt nicht nur sicher die positiven Dinge der alten DTV-Produktionen um, sondern übernimmt gleichzeitig auch deren negativen Eigenschaften.
The Barn fehlt es an Kontinuität; die ohnehin nicht durch Einfallsreichtum glänzende Story verliert sich in der teils episodischen Narration. Lieber treibt man die eindimensionalen Figuren zur nächsten Konfrontation mit einem der Dämonen als die Geschichte auf langer Sicht für das Finale vorzubereiten. Die Gäule gehen mit Seaman durch, der dann seinen Film eine Stufe höher heben möchte, über die von ihm sicherlich geschätzten, dutzenden Vorbilder. The Barn ist merklich ein mit viel Enthusiasmus und Herzblut umgesetztes Projekt, bei dem der Regisseur einige Male von seiner Euphorie übermannt wird und seiner kleinen Indie-Produktion mehr zutraut, als sie es in Realität zu schaffen vermag. Das macht seine Macher und deren Film letztendlich sehr sympathisch, was mich über seine Schwächen getrost hinwegsehen ließ. Es ist ein kleiner B-Kracher mit viel Charme, der wenn alle Stricke reißen mit den hübsch altmodischen praktischen Effekten überzeugen kann. Zwei alte Bekannte aus der glorreichen Zeit schauen auch noch vorbei: Scream Queen Linnea Quigley gibt die gestrenge Mrs. Barnhart und der Ur-Jason (hiermit meine ich Teil 1) Ari Lehman gibt einen Moderator einer TV-Metal-Show. Das Wiedersehen mit beiden erzeugt wie The Barn selbst ein kleines, freudiges Lächeln. Es tut manchmal verdammt gut, sich eben auch an sowas einfacherem zu erfreuen.
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