Der Herbst legt seinen Schleier auf die Welt und vertreibt den kräftig strahlenden Sommer und das Leben aus den Landen. Der Verfall schleicht sich in die Natur; Sträucher und Bäume verwöhnen das Auge zum letzten Mal mit prächtigem Farbenspiel ihrer Blätter, bevor diese im finalen Zug die Straßen benetzen. Die Kälte kriecht empor und setzt sich in jede kleine Ritze fest, während eisiger Wind durch kahle, knochige Äste pfeift. Bevor der Winter mit seinem eisig festen Griff unsere Umgebung und uns selbst packt, ist der Herbst ein sanfter Übergang in die unnachgiebig harte Zeit der Kälte. Seine Aura der Auflösung und der zarten Melancholie zeigt uns, wie die ersterbende Pflanzenwelt vor ihrem Exodus bis zum nächsten Jahr das in die Stunden und Tage einziehende Grau, die Schwärze wolkenverhangener Tage mit letzten Farbspielen durchbrechen kann. Das Sterben ist ästhetisch bunt.
Diese Jahreszeit mag mit ihren Regenstunden das letzte Aufblühen und Leben unnachgiebig für einige Monate hinfort spülen und lädt in trostlosen, langwierigen Stunden zum grüblerischen Versinken in vergangenen Tagen ein. Die Vergangenheit verweilt präsent in der Gegenwart und gibt Kunde von alten Zeiten mit all' ihrer Dunkelheit und dem Schmerz, die die damaligen Tage regierten und Herrenhäuser wie dem der Vajdas ihre schwärzesten Stunden vermachte, in denen Fürstin Asa und ihr Geliebter Javutich, in den Dracula persönlich gefahren sein soll, von einem hohen Gericht der Hexerei schuldig gesprochen und hingerichtet wurden. Durch ein Unwetter blieben deren Leichname der reinigenden Kraft des Feuers verwehrt und Jahrhunderte später machen die Ärzte Thomas Kruvajan und Andre Gorobec auf ihrer Reise zu einem Kongress Rast in einem Wirtshaus, nahe der letzten Ruhestätte Asas und ihres Geliebten gelegen.
In Augenschein wurde diese von Reisenden genommen, als sie durch einen Radsprung ihrer Kutsche im finsteren Wald mit seinen fremden und eigenartigen Geräuschen unfreiwillig Rast machen mussten. Dort machen die Kollegen Bekanntschaft mit Katia Vajda, Tochter des derzeitigen Fürsten Vajda und Asa wie aus dem Gesicht geschnitten. Durch einen Kampf mit einer wild gewordenen Fledermaus in der Krypta der Vajdas bricht Dr. Kruvajan das mahnend über dem Sarg Asas platzierte Kreuz, kratzt sich an einer Dorne ihrer abgenommenen Totenmaske, worauf sein Blutstropfen Asa den Weg aus der Dunkelheit zurück ins (untote) Leben ebnet. Zusammen mit dem von ihr zurückgerufenen Javutich versucht sie, Herr über die verbliebene Verwandtschaft zu werden um wieder erstarkt vom Blut ihrer Opfer unter den Lebenden zu weilen.
Lose auf Motiven von Nikolai Gogols Erzählung "Der Vij" basierend, schenkte uns Mario Bava 1960 mit seinem Filmdebüt eine Sternstunde des Gothic Horrors, der drei Jahre zuvor mit Frankensteins Fluch sowie zwei Jahre davor mit Dracula in England durch Adaptionen dieser Schauerliteraturklassiker durch die Hammer Studios eine Renaissance sowie einen Boom erlebte. Im Gegensatz zur Nahe an der schweren Atmosphäre der Gruselromane liegenden Filme der britischen Studios, mit ihrem etwas nüchtern und aufgeräumten Stil, deren Geschichten fest in der Hand männlicher Figuren standen, ist Bavas Die Stunde, wenn Dracula kommt eine düstere Geschichte, die den Charakter einer urwüchsigen Volkserzählung mit dem unheilschwangeren Ton von Poe-Erzählungen wie "Der Untergang des Hauses Usher" vermengt. Die schwer im Bann der eigenen Vergangenheit liegende Familie der Vajda, auf dem Scheiterhaufen von Asa verflucht, ergibt sich in gewisser dunkler Vorahnung beinahe erwartungsfroh und lethargisch dem bevorstehenden Grauen.
Der ursprüngliche, wahre Fluch des alten Adelsgeschlechts findet sich in Gestalt der vom geraden Weg abtrünnigen Asa, die aus dem Totenreich die Rückkehr in die Welt der Lebenden vorbereitet. Ihre Auferstehung bereitet die schicksalsschweren Tage der übrig gebliebenen Verwandtschaft, in die die beiden durchreisenden Ärzte mit hinein gezogen werden. Dem bösen Bann Asas erliegt der ältere, Dr. Kruvajan, dem Bann der unschuldigen Katia erliegt der junge Dr. Gorobec. Als wollten die Autoren mit ihrer Geschichte zum Ausdruck bringen, dass dem weiblichen Geschlecht ein Zauber inne wohnt, der dem stärkeren Geschlecht, hier in Gestalt gestandener wie rational denkend erscheinender Akademiker, schaden kann. Dem Gegenüber zeigt der Film gleichzeitig eine weibliche Antagonistin, dargestellt von durch ihre Rolle als Asa zur Genre-Ikone aufsteigenden Barbara Steel, deren fahles, langes Gesicht mit den darin befindlichen großen, vor Traurigkeit (Katia) oder nach Zerstörung gierenden (Asa) glänzenden Augen wie für die Rolle gemacht ist.
Diese ist unmissverständlich Chef im Ring. Das männliche Geschlecht spielt die zweite Geige und selbst der vom starken als Dämon betitelten Dracula besessene Jaruvich steht eindeutig im Bann der Hexe und ist eine Spielfigur in ihrem teuflischen Plan. Der Frau wird durch diese Darstellung eine gewisse Stärke eingeräumt, auch wenn in späteren Minuten dies in einigen Szenen mit negativer Wirkung auf den Mann assoziiert wird. Wie im britischen Gothic Horror-Film ist die unterschwellige Sexualität wie im Vampirmythos und -film präsent. Asa bzw. Katia verzaubern und locken durch ihre jeweilige Ausstrahlung. In jenen Szenen deutet Bava unter anderem sehnsüchtige Berührungen von Katias tiefen Dekolleté durch Gorobec ein; gleichzeitig geschieht dies in einem Moment, in den Katia ungeschützt dem Doktor durch ihre Ohnmacht ausgeliefert ist. Asa selbst, die man häufig als im Hintergrund agierende, passive Kraft wahrnimmt, pulsiert nahezu vor sexueller Aufladung. Ihr einladender wie begehrender Blick lenkt die willenslosen Herren der Schöpfung in ihre Arme, um den erlösenden Kuss als Zeichen sexueller Aktivität zu erhalten.
Mehr treibt es Bava in der Szene auf die Spitze, als Asa Katias Blut in sich aufnimmt und in Gegenschnitten die lüstern erscheinende Asa der leidenden, jungfräulichen Katia im vergeblichen Kampf gegen ihre bösartige Verwandte stellt. Der vordergründige Akt der Kraftbeschaffung für die Hexe durch ihre Verwandte erscheint in dieser Szene gleichzeitig als verzerrt dargestellter, sexueller Akt. Asa kann man hier als Sukkubus interpretieren, dem Geschöpf, mit dem Gogols Protagonist in der literarischen Vorlage zuerst Bekanntschaft macht. Die Stunde, wenn Dracula kommt entspinnt damit ein interessantes Wechselspiel, ohne sich eindeutig auf die Seite eines Geschlechts zu schlagen. Mehr zelebriert Bava die von Poe vertraute Stimmung und Schönheit des Verfalls. Der von ihm gleichzeitig fotografierte Film platzt an wunderschönen Einzelbildern aus allen Nähten. Der Italiener macht aus seinem Film die bewegte Illustration eines imaginären oder Film gewordenen Schauerromans.
Selbst knapp 60 Jahre nach seiner Entstehung schafft der Film es, mit diesen Bildern eine dichte und schauerlich schöne Atmosphäre zu schaffen. Düstere Schwarz-Weiß-Poesie zwischen schwülstig-wuchtigem Gothic Horror, Anleihen beim deutschen expressionistischen Film der 20er Jahre und Zitate der Universal-Horrorklassiker der 30er Jahre ordnen sich der eleganten und geschmackssicheren Handschrift des italienischen Regisseurs und Kameramanns unter und können auch heute davon ablenken, dass der Geschichte kurz vor Schluss die Puste ausgeht. Die Anstrengungen Asas und ihrer Handlanger, sich des Lebens und der verbliebenen Blutsverwandtschaft zu bemächtigen ergehen sich in wiederholenden Abläufen, bevor der Film ins hastig herbeigeführte Finale mündet. An diesem verschleppten Erzähltempo kranken leider auch einige Werke aus dem Hause Hammer; diese wie auch Bavas Werk können das Manko mit ihrer starken visuellen wie atmosphärischen Kraft ausbügeln. Selbst die für diese Zeit äußerst zeigefreudigen Effekte besitzen noch eine kleine, bemerkenswerte Wirkung in diesem herrlich düsteren Horrormärchen das über alle Jahrzehnte hinweg nichts von seiner dunklen Schönheit verloren hat, in der man sich wie in den stillen Momenten des Herbst zwischen Melancholie, Moder und vergehender Schönheit verliert.
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