Roland E. Pembroke ist ein schlauer wie wortgewaltiger Mann. Mit schwülstig schweren Worten verabschiedet sich der CEO einer Finanzfirma in das selbst gewählte Schweizer Exil und entsagt seinem bisherigen Leben. Laut seinen Abschiedszeilen tragen wir alle "diese eine Krankheit" in uns. Ausgesprochen wird deren Name nicht. A Cure For Wellness zeigt sie lieber in beeindruckenden Bildern. Der Beginn des Films lässt gewaltige Firmenhochhäuser wie bedrohlich schwarze Monolithen, die in einen ebenso dunklen Himmel ragen, wirken. Darin arbeitet sich ein Broker alleine im Großraumbüro dem herzverkrampften Exitus entgegen. Nicht gerechnet hat Pembroke mit den anderen Vorständen seiner Firma und Lockhart. Letzterer ist ein ambitionierter Emporkömmling, der von seiner Firma in das von Pembroke bewohnte Sanatorium geschickt wird um den Abtrünnigen zurückzuholen. Es eilt, steht der Konzern doch vor einer wichtigen Fusion und benötigt dafür dessen Zusage.
Lockhart selbst wird kurz nach Ankunft im Sanatorium von Dr. Volmer durch einen Autounfall mit gebrochenem Bein als davongetragene Konsequenz dort länger als geplant festgehalten. Dies gibt ihm nicht nur Zeit, den gefundenen CEO zu einer Rückkehr zu bewegen, sondern auch dem Geheimnis der Schlosses, in dem sich das Wellness-Center befindet, auf den Grund zu gehen. Dort soll vor 200 Jahren ein Graf inzestuöses Treiben mit seiner Tochter veranstaltet haben, was die Bevölkerung des nahegelegenen Dorfes mit wortwörtlich feuriger (Lynch-)Justiz bekämpfte. Selbst als er Hannah, laut Dr. Volmer ein "Spezialfall", kennenlernt, klingelt bei ihm alles, nur keine Alarmglocke. Was zur leichten Verstimmung beim Zuschauer führt, wenn dieser schon viel früher die Zeichen der Gefahr erkannte und dauerhaft dem Jüngling entgegenschmettern will, was er übersieht. Gore Verbinski und sein Drehbuchautor Justin Haythe übertrapazieren dies, was A Cure For Wellness eigentlich gar nicht nötig hat.
Im Grunde genommen kann man den Film als Versuch David Lynchs, seine Version von Shutter Island zu drehen, sehen. Die Parallelen sind klar ersichtlich, viel mehr scheint das Drehbuch ganz faul mit diesem (fast ständigen) Vergleich zu spielen und die Erwartungen des Zuschauers, der Scorseses Mysterythriller beim Schauen im Hinterkopf hat, ständig dorthin zu bewegen um dann seine narrativen Wendungen zu nutzen. Das ist unnötige Bequemlichkeit; umständliche Erzählstruktur die der famosen Stimmung nicht schadet, ungeduldige Naturen dafür auf die Probe stellen kann. Verbinski kann in entscheidenden Momenten die zwischen leicht surreal und mal mehr, mal weniger bedrohlich wirkende, wechselnde Atmosphäre gekonnt hervorheben. Der Blockbuster-Hits (Fluch der Karibik) und -Flops (Lone Ranger) gewöhnte Regisseur kann dafür leider weniger gut Spannung aufbauen. Dafür ist das Script auch sehr undankbar aufgebaut. Dessen abertausende Anspielungen, die für alle, bis auf den Protagonisten sehr schnell erkennbar sind, ziehen die Geschichte unnötig in die Länge.
Es bleibt die herausragende Atmosphäre, gekrönt von der herrlichen Fotografie, die die Schwächen des Buchs nicht komplett übertünchen kann. Das ständig vorherrschende unangenehme Gefühl, das Wissen, dass ein dunkles, grauenvolles Geheimnis an der Oberfläche kratzt um freigelassen zu werden, diese irreale Ohnmacht vor dem lauernden Grauen transportiert A Cure For Wellness auf einem sehr guten Niveau. Das der Film als Kritik auf den schnellen, umbarmherzigen Druck des Kapitalismus bzw. der heutigen, gehetzten Arbeitswelt verstanden werden kann, schafft man nur zu Beginn. Im Alpenland angekommen, wandelt sich Verbinskis Werk zu einem leichten Gruselthriller, der im Finale förmlich explodiert; ein bisschen Spektakel muss beim Amerikaner wohl doch sein. Dazwischen erinnerte mich A Cure For Wellness an eine Horrorversion der hübschen Groteske Willkommen in Wellville, nur das letztere den Gesundheitswahn gekonnter und bissiger aufs Korn nahm. Die sinnentleert erscheinende Wassertherapie, die Dr. Volmer blind nachplappernden Patienten, welche ohnehin immer etwas schräg erscheinen und Volmers zuerst perfekt erscheinende Fassade mit ihrer bei längerer Zeit mehr zu Tage tretenden, dunklen Flecken: das vorhandene Potenzial wird nicht beachtet bzw. richtig benutzt.
Nach dem an den Kinokassen durchgefallenen Lone Ranger ist A Cure For Wellness für Verbinski selbst ein gelungener Rückschritt. Bei allem in der Vergangenheit entstandenen, filmischen Brimborium scheint er sein Handwerk nicht verlernt zu haben. Man könnte den Film als gemäßigten, neogothischen Grusel der unspektakulären Sorte bezeichnen, der neben der tollen Fotografie mit einem interessanten Soundtrack gesegnet ist. Leider ruht er sich zu oft auf seinen Shutter Island-Bezügen aus, anstatt mit mehr Schmiss, man könnte es auch mehr Mut nennen, auf komplett eigenständigen Pfaden zu wandeln. Sehenswert ist der Film allemal.
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