Freitag, 1. Juni 2018

Humans

Die Autoren von Humans trauten der Schweiz, dem Handlungsort ihrer Geschichte, als Wohnort für den stereotypen Backwood-Hillbilly, wohl selbst nicht über den Weg. Was in den USA durch die dortigen weitläufigen, ausgedehnten Waldgebiete mit ihren unwegsamen Bereichen wunderbar funktioniert, mag im Geiste bei den geläufigen Klischees über das Alpenland zu verschrobene Gedanken führen. Niemand kann sich geistig einfach gestrickte, gewaltsame Lederhosenträger etc. vorstellen, ohne in gewisses Grinsen zu verfallen. Greift man also mal schnell zu irgendwelchen Wissenschaftlern, hier Anthropologen, die natürlich eine unglaubliche Entdeckung gemacht haben. In diesem Fall Menschenfeind Philippe Nahon als Professor Schneider, welcher Fragmente eines Neandertalerschädels findet, die sich von den bisherigen Funden unterscheiden. Sind sie ein fehlendes Glied zwischen dem Urmenschen und dem Homo Sapiens? Um dieser Frage nachzugehen, begibt er sich mit der Doktorandin Nadia und seinem Sohn Thomas in die Schweiz, um endlich seine von Kollegen belächelte Theorie des viel später als angenommen ausgestorbenen Urmenschen zu beweisen.

Dort angekommen, will man sich auf den Weg in ein schwer zugängliches Tal machen, nimmt eine liegengebliebene Touristenfamilie auf und muss nach einem durch einen Steinschlag herbeigeführten Umweg unliebsam durch einen Unfall kopfüber hinab in eine Schlucht stürzen. Die überlebenden kämpfen dort fortan ums Überleben und merken, dass nicht nur die Natur, sondern auch noch jemand anderes ihr größter Feind ist. Dieser wird vom Drehbuch lange zurückgehalten, angedeutet um dann mit genügend Momentum den gewünschten Story-Impact zu erzeugen. Richtig zünden mag er nicht. Die Thematik, die gestreuten Hinweise: sie sind einfach zu durchschauen. Bis dahin versucht sich das Regie-Duo Jacques-Olivier Molon und Pierre-Olivier Thevenin, die zuvor (und danach) vornehmlich Special Effect- und Make Up-Künstler bei Filmproduktionen waren, ihren Film als französische Variante von John Boormans Beim Sterben ist jeder der Erste zu präsentieren. Die nett eingefangenen Schweizer Landschaften schaffen es nicht, durch die auf Imposanz abzielende Fotografie, eine Bedrohung auszustrahlen. Das aufpolierte Filmbild, auf digitalem Material gedreht, gestochen scharf und nicht nachbearbeitet, trägt weiter dazu bei, das alles eher wie eine Fernsehdoku über die Flora und Fauna entlegener Alpengebiete wirkt.

So kämpft sich das übrig gebliebene Forscherteam, welches einen Verlust hinnehmen musste, mit den Touristen durch saftig grüne Wiesen auf steinig-steilem Gebiet, in Brauntönen getauchte Wälder, deren geringes Licht auch nicht mehr Atmosphäre schaffen kann und durch einen reißenden Strom. Dies ist eine der wenigen wirklich spannenden Szenen. Der Rest davor und danach ist bemüht, gängige Survival-Horror-Muster in die für den Stoff zugegeben ungewöhnliche Location zu bringen. Von Eigenständigkeit fehlt leider jede Spur. Dynamik und Eigenständigkeit leider auch. Thevenin und Molon können zu keiner Zeit ein eigenes Profil erzeugen. Sie verwalten viel mehr die Geschichte des Films um sie nach eben jenen Mustern und Formeln in digitale Bilder umzuwandeln. Man orientiert sich, einem Leitfaden gleich, durch eine in vielerlei Hinsicht arme Geschichte. Nach der zu erahnenden Präsentation des eigentlichen Feindes der zusammengewürfelten Gruppe, stürzt die letzte, erhaltene Restspannung ebenfalls ab und ist nicht mehr aufzufinden. Die schon zuvor auffälligen Story- und Logiklücken werden nicht mal im Ansatz versuchend mit Action übertüncht. Humans hält sich selbst in geplanten Spannungsszenen zu stark zurück, nervt bald mit den krampfig wirkenden Konflikten in der Familie und der Gruppe und wird mit jeder Minute anstrengender.

Der Gipfel ist erreicht, als ein einfach voraus zu ahnender Twist präsentiert wird, der mit einem aberwitzigen zweiten Twist übertrumpft wird. Letzterer zieht die zuvor angestrengt aufgebaute Geschichte ins lächerliche und bietet eine Szene, die mit Klischee-"Ureinwohnern" der Schweiz, in Schwyzerdütsch gesprochen, jede Ernsthaftigkeit vermissen lässt und wie eine schlechte Heimatfilmversion bekannter Backwood-Horror-Vorbilder á la The Hills Have Eyes etc. wirkt. Das nun die vormals angestrengt etablierten Feinde in die Operrolle switchen, man ein wohl aufwühlend chaotisch gemeintes Finale herunterspult, welches so grob wie die Figuren vor der Kamera agiert, auftischt, verstärkt den ärgerlichen Gesamteindruck des Films. Das Regie-Duo scheint überfordert mit dem Stoff zu sein, vertraut ganz auf die steife Orientierung an den (über)großen Vorbildern und kann in seiner Profillosigkeit nicht mal Fans mit weit nach unten gelegten Erwartungen hinter den Ofen hervorlocken. Selbst dann nicht, wenn manchmal doch gut ausgeleuchtete, atmosphärische Szenen erzeugt werden oder die gute Maskenarbeit auffällt. Zwei Elemente, die nicht gegen den unterdurchschnittlichen Rest ankämpfen können. So schnell, wie die Gruppe sich in der Schlucht wieder findet, fällt Humans in die Vergessenheit zurück. Hier verwirft man selbst sehr schnell den aufkeimenden Gedanken, dass man einige Elemente der Story als Metapher auf Xenophobie sehen könnte. Das gibt die krampfige, ideenlose Geschichte und Inszenierung einfach nicht her.
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